Lotte Mühlborn

                                                                                                              

Adagio des Herrn

Das Tropfenlied, wie`s Gott in grauen Noten
an seinen weitgespannten Himmel schrieb,
ist es ein Weinen um das Heer der Toten,
das graue Heer, das ohne Heimkehr blieb?

Will es mit leiser Urweltstimme trösten?
Einlull`n der Menschheit ungeheures Leid?
Geht nicht im Wind ein Flüstern der Erlösten:
Laßt euern Schmerz, die ihr im Lichte seid!

Wir Tote warfen ab des Lebens Nöte
und warten euer, bald kommt ihr uns nach!
Wie Domgesang geht einer Amsel Flöte,
Adagio des Herrn, im stillen Tag.

Herbst 1944
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An Eine von Vielen

Was soll ich dir zum Troste sagen,
mein Mitleid schmilzt dein Weh nicht fort.
Die Wunden, die der Tod geschlagen,
heilt kein lebendig Wort.
Die Zeit allein, die ihre Schleier
barmherzig webt um Leid und Harm,
sie webt auch dir ein mild Vergessen.
So falle nur der Zeit in dessen
nicht immer wieder in den Arm.
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An Germania

Und steht dein Haus verarmt und klagt dein Lied,
Germania, so wahr die Wolke zieht,
so wahr der Nebel Gottes Sonne weicht,
aus Wetternacht die Morgenröte steigt,
so wahr wird deine Sonne auferstehen
und wir auf freiem Heimatboden gehen.
Sieh, deine tausend schönen Täler blühen,
und deine himmelsnahen Firne glühen
wie ehedem. In Strömen pulst der Saft
des frohen Lebens, der da heilt und schafft
und Neues baut aus dem Verfall.
Ein tief geheimer Trost klingt durch das All.

Es klingt im Golde deiner Ährenfelder,
im Wipfelrauschen deiner Eichenwälder,
in deiner Ströme urgewalt`gem Schreiten
und durch den Frieden deiner Einsamkeiten:
Wie klein der Mensch und all sein Glück und Leid,
gemessen an der großen Ewigkeit!
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"Aus tiefer Not- - -"

Wo im weiten Weltenraume
hältst du, Vater, dich verborgen?
Wie in wildem Fiebertraume
sucht am Abend und am Morgen
unser Leid nach deiner Güte.
Der das Eisen wachsen ließ,
daß vor Knechtschaft es behüte,
und der Rettung uns verhieß
wenn wir rufen, ihn zu preisen,
Herr, in unserm heißen Blute
schmerzt das Eisen!

1914
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Bitte

Ew`ger Geist im Weltenraume,
der uns Gutes noch im Bösen
finden läßt am Erdensaume,
woll` vom Übel uns erlösen!

Wolle uns die Gabe schenken,
Gutes nur ins Wort zu binden,
Frohes noch im Leid zu denken
- und auch Trost für andere finden.
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Das Deutsche Volk steht auf der Wacht

Mein Rhein, ich sah dich heute wieder,
wie griff dein Anblick mir ans Herz!
Ich dachte deiner stolzen Lieder,
der Sagen all in süßem Schmerz.
Wie könnten welsche Laute preisen
dich als den ihren, deutscher Rhein!
Es weinten deine alten Weisen
und deine Sagen schliefen ein.
Zum Hort der Nibelungen sänken
und zu der Krone, die herab.
- O Seele du, was irrt dein Denken
um Undenkbares! Schüttle ab
das spinnwebgraue feige Zagen:
Ein ganzes Volk steht auf der Wacht.
Und muß es Kreuz und Dornen tragen,
sein Rhein bleibt deutsch in allen Tagen!
Das deutsche Volk steht auf der Wacht!
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Das dunkle Geschoß

Es flog ein Geschoß und flog und flog,
ging über Täler und Schroffen,
ging durch die Nächte und manchen Tag.
- Die in der Heimat hoffen. -

Dort wo die Sonne am Morgen erwacht
und die Wolken wie Goldschifflein stehen,
seht ihr am Saume den blutroten Schein?
- Die in der Heimat flehen. -

Zeigt uns der Himmel den Widerstrahl,
in seinem Spiegel gefangen,
vom Brand der Städte, von wie vielem Blut?
- Die in der Heimat bangen. -

Da ist das Geschoß, das dunkle heran
im Umschlag von weißem Leinen.
Es fand sein pulsendes Ziel, es traf!
- Die in der Heimat weinen. –
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Das Grabmal in Russland

Stumm und betend knien die Gedanken
an der Erde größtem Heldenmal.
Hören Seelennot und Schmerzgestöhne
derer, die da kämpften, litten, starben.

Doch da steigt es auf, ein leises Klingen,
und es ist wie fernes Heldenlied:
„Ewig leben, die den Tod bezwingen,
die dem Vaterlande Opfer bringen,
ewig weiter lebt ein Winkelried!“

Darum, Deutscher, nennst du unsre Namen,
tu`s in stolzer Andacht, nicht in Leid.
Die wir nimmer nach der Heimat kamen
leben in der Heimat Lorbeerrahmen,
eingeschrieben in dem Buch der Zeit

Tröstlich dringt es durch des Males Tore,
löst der Leidgedanken grauen Kreis.
Und das leise Klingen schwillt zum Chore
wird ein Mahnruf jedem deutschen Ohre
wird ein Sang zu deutscher Helden Preis.

Unsern Toten in Stalingrad gewidmet
und denen, die um sie weinen.
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Das Lichtlein

(Meinem Jungen in Rußland) Du hast mir ein liebes Wort gesagt,
ein Lichtlein ist mirs wie Gold.
Und wenn die Seele im Stillen zagt
und die Träne mir heimlich rollt,
dann stell ichs auf meines Herzens Altar,
da blickt es mich an, so tröstlich und klar,
das kleine Lichtlein wie Gold.

Und blasen die kalten Winde mich an,
- ich hab so ein dünnes Kleid -
dann zünde ich eilig mein Lichtlein an,
das gibt mir warmes Geleit.
Verlasse ich endlich mein irdisches Haus,
mit dem letzten Atemzug blas ich es aus,
das Lichtlein, das mich gefreut.
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Das Lied des Leiermanns

Noch einmal sah der Junge
sich um beim Hollerbaum.
Am Tore stand ich winkend
und sah ihn kaum.

Ich sah ihn kaum vor Tränen;
Geschütze grollten fern.
Da klang wie Ruf im Nebel;
Lobt froh den Herrn!

Lobt froh den Herrn in Chören…
ein Leiermann begann
sein Tagwerk in den Gassen.
Die Träne rann.

Die Träne rann mir heißer
vom feuchten Angesicht.
Mein Gott, ich soll dich loben -
ich kann es nicht!

Ich kann es nicht zur Stunde;
den Jungen, schütz ihn mir,
dann will ich froh dich preisen
und danken dir!

Frühjahr 1918
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Das Omen

Einsam in Wolkennähe steht die Föhre,
vom Höhensturm gebogen und gezaust.
Er brach wohl manchen Zweig aus ihrer Krone
in Wetternächten, da dem Wandrer graust.

Nachsinnend jenem Baume, dessen Trauer
so dunkel in den Abendhimmel steht,
wie kommt es, das ich deiner muß gedenken,
mein Vaterland, so leid - und sturmverweht?

Wie jene Wetterföhre stehst auch du,
so einsam du und schicksalhaft zerrissen.
Wohl eine Sturmnacht lang der Föhre denkend
und deutscher Not, so wacht`ich in den Kissen.

Ein Omen dacht ich mir, so tagt es doch!
die Föhre dort an abgrundsteiler Wand,
mein heimlich Sinnbild, brach sie - wird sie stehen?
Der Morgen kam, die Wetterföhre - stand!
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Das Zeichen im Rhein

Ich stand am Brückenpfeilers Bogen
und sah den Rhein im Abendgolde ziehn.
Die weißen Möven schossen her und hin,
und leise rauschten die smaragdnen Wogen.

Noch ganz wie damals! Nur der schwarze Posten
im flachen Stahlhelm, nein, der stand nicht da.
Ich blickte weg, als ich den Fremden sah,
und auf der Zunge lags wie bittres Kosten.

Da warf der Abendhimmel auf die Fluten
sein warmes Licht in breitem rotem Band.
Wie strömend Herzblut gings von Land zu Land,
und drüber brannten hoch des Himmels Gluten.

Still sah ich nach der Doppelzeichen Wunder:
Noch leuchtet ja auch uns des ew`ge Licht!
Und Blut, es läßt vom Bruderblute nicht!
Trotz all und allem - Deutschland geht nicht unter!

1920
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Der Amokläufer

Es rast ein Amokläufer
über das Erdenrund.
Sein hohles Auge sprüht Feuer,
aufbrüllt sein Mund.
Wild schlägt sein dunkler Mantel
um dürres Gebein.
Die sirrende Sense blitzet
in blutrotem Schein.
Vermag ihn keiner zu halten,
den wahllos würgenden Tod?
Kein Gott und kein Teufel? Ach, raste
der Tod sich doch endlich zutod!

1944
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Der Blumen Bitte

Aus euren Gärten sollen wir nun gehen,
allwo von ewig wir das Heimrecht hatten!
Was nützlich nur, will euer Auge sehen,
und eure Hände pflanzen Kohl auf die Rabatten.

Wir wurden arm, sagt ihr, und brauchen Brot,
was soll dem Hunger denn die Schönheit frommen!
So habt ihr euch von eurer dumpfen Not
auch noch den letzten stillen Glanz genommen!

Ihr Blumen sind der Schmuck am Schöpfungskleide,
die Reinheit wir, der Glaube an das Licht;
im nebelgrauen tiefen Menschheitsleide
ein Lächeln wir von Gottes Angesicht.

So gönnt uns Blumen denn ein Fleckchen Erde,
zum Augentrost euch nach des Schöpfers Ruf.
Er, der uns blühen und euch leben lehrte,
er läßt nicht sinnlos fallen, was er sinnvoll schuf.

1943
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Der Ehrbaum

Deutschland, meiner Urväter heiliges Land,
wo sie in Blitz und Donner,
in Wind und Wachstum
das Walten der Götter erkannt!
Wo sie Thing gehalten im heiligen Hain
und das Recht gewogen mit treuer Hand.
Vaterland,
oft mit dem Herzblut der Väter geweiht,
nun mit dem Herzblut der Enkel in eherner Zeit!
Not war und Pein!
Viel Äxte aus feindlicher Welt
haben den Ehrbaum in deinem Hain gefällt!
Aber die Wurzel, die ewig zum Lichte strebt,
die Wurzel, die lebt!
So wachse der deutsche Ehrbaum wieder empor,
und mahnend rausche sein Wipfel dem deutschen Ohr:
Ob Gotteswind fächelt, ob Kampf in den Lüften stürmt -
stark ist das Volk, das meine Krone beschirmt!

1947 [TOP]

Der Friede - von Versailles

Herr wir flehten - ach so heiß! -
wollest deinen besten, schönsten
Engel uns, den Frieden, senden.
Herr, wir schauten sein Gesicht
und entsetzt verhüllten wir
unser Haupt - es trug die Züge
der Meduse.
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Der Glocken Abschied

(Als sie 1918 zum Einschmelzen abgenommen wurden)

Hört ihr die Glocken läuten?
Es ist ihr Schwanenlied!
Sie klagen um ihr Sterben,
um schreitendes Verderben,
das in die Lande zieht!

Die wehen Klänge flattern
wie Flöre in dem Wind.
Sie singen und sie sagen
von friedesamen Tagen,
die lang begraben sind.

Von Trauer und von Festen
spricht ihr metallner Mund.
Von Gräbern und von Wiegen,
von Notzeit und von Siegen -
stumm lauscht das weite Rund.

Und nun ein drängend Mahnen:
Ist euch auch Leid beschert
und ist euch Kampf beschieden,
so wahret euch den Frieden
im Herzen und am Herd!

Verzitternd in die Weite
schweigt nun der Klang voll Weh.
Nachhallend noch zwei Schläge - .
so schluchzt am Scheidewege
zurück noch ein Ade!
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Der Glocken Abschied

2. Fassung

Was läuten denn die Glocken - ?
Es ist ihr Abschiedslied!
Sie klagen um ihr Sterben,
um schreitendes Verderben,
das in die Lande zieht.

Von Trauer und von Festen
spricht ihr metallner Mund.
Von Gräbern und von Wiegen
von Notzeit und von Siegen…
Stumm lauscht das weite Rund.

Wie Beten jetzt und Mahnen:
Und ist auch Leid beschert
und ist auch Kampf beschieden,
so wahret euch den Frieden
im Herzen und am Herd!

Verzitternd in die Weite
schweigt nun der Klang voll Weh.
Nachfallend noch zwei Schläge -
so schluchzt am Scheidewege
zurück noch ein Ade!

als im Sommer 1918
in Altrip a. Rh. die
Kirchenglocken zum
Einschmelzen abgenommen wurden.
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Der Invalide im "Heim"

Ein Statist nur bin ich noch im Leben
ohne Pflichten und verdiente Rast!
Alles was der Schöpfer mir gegeben,
alles gute Wollen und Erstreben,
ach, vergangen ist es und verblaßt!

Und die Schere Gottes fühl ich proben
still am Lebensbande meiner Zeit!
Glück und Trauer waren eingewoben,
und die Bilder waren oft verschoben
in dem bunten Buche meiner Zeit.
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Die junge Kriegerwitwe

(Frau A.R. gewidmet)

Sie sagen es mir - ich kann's nicht fassen!
Du konntest gehen und mich verlassen?
Mein Treuekamerad, wie du geschworen?
Nun haben wir beide uns doch verloren!

Zum Tälchen, das ein seliges Jahr
in trautem Bunde uns Heimat war,
muß ich die einsamen Schritte lenken
und werde nur einen Namen denken!

Die Wälder werden von Wandertagen,
die Quellen von fröhlicher Rast mir sagen.
Die Bank beim Rasenplätzchen im Garten
wird einsam des stillen Lesers warten.

Es warten die Rosen der pflegenden Hand.
In deiner Stube wie trauergebannt
ruht stumm die Geige im braunen Kasten,
die Bücher halten ein langes Rasten!

Auf jeder Stufe, auf Gängen und Steinen
wird das Erinnern sitzen und weinen
und deiner Stimme liebwarmer Klang
wird mich umschweben auf schwerem Gang!

Dann muß ich weinen und suchen nach dir
Wie kann ich es tragen! Gott helfe mir!
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Die Kriegstrommel ging!

Die heiße Not
war aufgeloht
und schrie Alarm durch die Lande.
Das zuckte ins Blut
wie sprühende Glut!
Das schmolz und schmiedete Bande!

Das zündete jach-
Deutschland war wach!
Und brandend aus wetternder Wolke
schlug heiß ein Rufen
zu Gottes Stufen:
St. Michel, nun hilf deinem Volke!

1914
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Die Wetterföhre

Einsam in Wolkennähe steht die Föhre,
vom Höhensturm gebogen und gezaust.
Er brach wohl manchen Zweig aus ihrer Krone
in Wetternächten, da dem Wandrer graust.
Nachsinnend jenem Baume, dessen Trauer
so dunkel in den Abendhimmel steht,
wie kommt es, daß ich deiner muß gedenken,
mein Deutschland? Ach, so sturm- und leidverweht
wie jene Wetterföhre stehst auch du!
So einsam du, so schicksalhaft zerrissen!
Wohl eine Sturmnacht lang, der Föhre denkend
und deutscher Not, lag wach ich in den Kissen.
O tagt`es doch! Ein Omen dacht`ich mir:
Die Föhre dort an abgrundsteiler Wand,
mein heimlich Sinnbild, brach sie - wird sie stehen?
Der Morgen kam, die Wetterföhre - stand!

( Oktober 1930)
(siehe " Das Omen")
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Die Wetterwolke

Eine Wetterwolke sahn wir kommen,
hing so schwarz und schwer am Himmelsrand!
Und die Wolke sehn wir niedersinken,
sahn darinnen alles Licht ertrinken!
Grabesdeckel ward sie meinem Vaterland!

Hat Gottvater denn in Schöpferlaune
seine Ordnung einmal umgestellt?
Ließ er uns wie schlafend aus den Händen
achtlos fallen ohne sich zu wenden,
wie ein Sandkorn aus der Hand des Formers fällt?

Antwort klingt es aus dem Weltenraume:
Ewig ist und ewig wandelbar
alles Leben, und aus Wintergrüften
ewig neu mit Klang und holden Düften
steigt die Wunderflut des Lebens Jahr um Jahr!

1945
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Drei Birken

Drei Birken stehen träumend
am Waldesrand.
Auf ihren weißen Säulen
liegt golden im Enteilen
der Abendsonne Brand.

Da hebt die erste leise
ein Sagen an
von einem blonden Kinde,
das sich im Sommerwinde
erging auf grünem Plan.

" Saß oft zu meinen Füßen,
das Mägdelein.
Tat mit den schmalen Händen
viel weiße Blätter wenden,
sah froh und hell darein."

Darauf so sprach die zweite:
" Ein Tag wie heut.
Es lehnt an meinem Stamme
in güldner Abendflamme
Goldhaar, die jung Maid.

Vor ihr in Kriegswaffen
ein Reiter stund.
Der hielt die schmalen Hände:
Eh ich den Rappen wende
reich mir den lieben Mund.

Und als die Schatten sanken
in Rohr und Ried,
stob auf der grünen Heide
ein Reiter in die Weite.
Goldhaar, dein Glück entflieht!"

Leis riefs der Wind." In Träumen."
die dritte sprach:
" Die Wolken hingen bleiern.
In feucht - geweinten Schleiern
müd schlafen ging der Tag.

Da war es, daß ein Weinen
ich leis vernahm.
Erstickte Worte klangen
und weiße Arme schlangen
sie fest an meinen Stamm.

Goldfäden sah ich flimmern.
Sie quollen frei
aus dunklem Florgebinde,
und leise klagt`im Winde
ein wehes Wort : vorbei"

Drei Birken stehen schweigend
am Waldesrand.
Wie trauernde Gestalten,
die stumme Andacht halten,
wenn still der Tag entschwand.
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Du saßest weinend

Du saßest weinend, ich war stumm.
Die Größe deines Leidens ließ mich zagen.
Kein Trostwort konnte dir ja Antwort sagen
auf dein verzweifeltes Warum.

Dann sprachst du leise von dem lieben Toten,
sprachst wie im Traum.
So weihevoll war es im stillen Raum,
als schritten Engel über seinen Boden.

Und wieder war mein Mitleid stumm und zag.
Ein fremdes Wort in diese Andachtstunde?
Still nach dem Schattenkreuz auf lichten Grunde
sah ich, das vor dir auf den Dielen lag.
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Dunkel klagt die Geige

Sang und Rosendüfte schwimmen
durch die Stunde - Glücks genug.
Saitenspiel und junge Stimmen
am Klavier. Im roten Krug
duften gelbe Rossen.

Wie sie kosend mich umschmeicheln,
Klang und Duft und rotes Licht!
Weich, wie Kinderhände streicheln
ein betautes Angesicht.
Können doch nicht trösten.

Klagt im weichen Strich der Geige
nicht die tiefe Not der Zeit?
Und im Kindersang das bleiche
Abschiedsweh? Vom Kruge breit
scheint's wie Blut zu rinnen.

Leise falten sich die Hände:
Der uns zu vergessen scheint,
Gott im Himmel, mach ein Ende!
Deine halbe Erde weint.
Dunkel klagt die Geige.
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Ein toter Vogel lag im Frühlingswald

Du warst, ein stolzer Aar in blauen Lüften,
so erdenfern die freie Bahn gezogen.
Mit Wind und Wolken flogst du um die Wette,
ein brausend Wunder unterm Himmelsbogen.

Des Äthers Weite war dir sichre Bahn,
und willig trugen dich des Sturmes Wellen
hin über Städte, Wäldermeer und Wogen -
am Stein der Erde musstest du zerschellen!

Stumm liegst du nun im jungen Frühlingswalde,
ein toter Vogel mit gebrochnen Schwingen.
Ein Wetter schlug dich aus der Himmelsbahn,
und nimmer wirst du mehr dein Sturmlied singen.
Der Lenzwind raunte es dem zarten Laube,
der Kuckuck rief dem Tauber und der Taube,
die Amsel klagte, und der Häher schalt -
ein toter Vogel lag im Frühlingswald.

Deutsches Flugzeug-
Notlandung im Wald
von Erzhütten-
Flieger im Kr.haus genesen.
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Ein Vogel lag im Frühlingswald

Ein Aar hoch in den blauen Ätherwellen,
warst du die freie stolze Bahn gezogen.
Mit Wind und Wolken flogst du um die Wette,
ein brausend Wunder unterm Himmelsbogen.
Des Äthers Weite war dir sichrer Weg,
und willig trugen dich des Sturmes Wellenam
Stein der Erde mußtest du zerbrechen!
Stumm liegst du nun im Wald, im maienhellen,
ein toter Vogel mit gebrochnen Schwingen.
Nicht wirst du brausend mehr dein Sturmlied singen,
hin über Städte, Wäldermeer und Wogen.
Ein Wetter schlug dich aus der Himmelsbahn
Und taumelnd bist du in den Tod geflogen.

******************

Der Lenzwind wisperte im weichen Laube.
Der Kuckuck rief den Tauber her und seine Taube,
die Amsel schwieg verstört, und laut ein Häher schalt.
Ein toter Vogel lag im Frühlingswald.

Deutsches Flugzeug im Wald von
Erzhütten Mai 1940. Zu tief geflogen.
Pilot überlebte.
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Einem jungen Freunde ins Album

Du Stürmer schiltst ein Sprichwort, das dich heißt
im Lande bleiben und dich redlich nähren.
Ich weiß ein schlimmres, das befiehlt mir dreist,
von fremdem Unglück kalt mich abzukehren.
Was dich nicht brennt, das brauchst du nicht zu blasen-
Wie kam dies Wort ins liebe deutsche Land?
Ist eingewandert wohl auf kalten Straßen
mit falschem Pass, und keiner hats erkannt.
Drum, willst du bösem Wort das Land verweisen,
mein rascher Freund, heiß erst den Fremdling gehn.
Dann magst du aus den altgewohnten Gleisen
den Träumer Michel schieben und ihn heißen
das Ränzel nehmen und die Welt besehn.
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Es rast der Tod

Und will sich das Wetter denn nimmer verziehen?
Die Blume des Friedens denn nimmer erblühen?
Es rast in den Lüften endlos der Tod,
er peitscht die Meere, bricht Mast und Schlot.
Die Fackeln des Krieges faßt seine Hand
und schüttelt die roten Flammen ins Land,
wo Menschen wohnten in friedlichen Hütten.
Und alle Donner des Weltalls schütten
die Knochenhände über uns her!
Wir hören die frohen Stimmen nicht mehr,
mit denen das Leben uns lockend rief,
es hängen die Schatten zu schwer und tief!
Sei still, meine Seele, sei stark in Vertrauen!
Nach jeder Wetternacht voller Grauen
sahst du am Morgen die Sonne erstehen.
Sei würdig, der Sonne entgegen zu gehen.
1943
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Ferne Glocken

Ein fernes Glockenläuten
über dem Abendwald.
Wie Jubel klingt es, wie Klage bald;
was mag es bedeuten?

Klagt es der jungfrischen Leben,
die starben in heißer Schlacht?
So schlaft eure ewige traumlose Nacht!
Die Glocken, die scheinen zu beben.

Jetzt klingen sie auf, als säten
sie Jubel ins lauschende Rund.
Ruft Sieg, klagt Sterben ihr eherner Mund -
mir ist, ich müsse beten.

1917 am Rhein
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Friede - ?

Eine Kunde ist uns kommen:
Fern im Osten ist entglommen
eines Lichtes Morgenstrahl.
Und dem Dunkel eurer Tage,
eurer Not und eurer Klage
wird ein Ende, eurer Qual.

Und wie Äolsharfen leise
geht die neue frohe Weise
in den Winden. Jeder Baum
scheint zu lauschen, jede Welle
trägt es fort in Silberhelle,
Wolken tragen goldnen Saum.

Und das flügelmüde Hoffen
spannt die Schwingen, lichtgetroffen,
hebt sich lerchenfroh empor:
Friede soll es wieder werden,
auf der kampfzerwühlten Erden!
Friede pocht ans Weltentor!

(Dezember 1917)
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Frühling im Krieg

In meinem Garten blüht der Pfirsichbaum,
und auf den Beeten zanken sich die Spatzen,
indes dort in der Linde lichtem Flaum
zwei Stare hell von Lenz und Liebe schwatzen.

So sonnenselig ist es in der Runde,
ein Lenz wie eh und ehedem, will's scheinen.
Und trägt doch einen Flor! Und trägt die Kunde
von Tod und Weh und tausendfachem Weinen!

Die Lüfte, die Millionen Sterbeseufzer trinken,
die Krieg und Gräuel sahn und Todesschrecken,
sie konnten hier den Amselruf, den Schlag der Finken
und all die tausend holden Blümlein wecken?

Sie konnten Vogelsang und Blümlein wecken!
Gib dich zufrieden, Herz, kein Weh so groß,
ein Frühling wird’s mit Blüten überdecken!
Und über Schollen wächst das Gräbermoos -.
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