Lotte Mühlborn

                                                                                                              

Am Märchensee

Es liegt im Sagenwalde
ein rosenumdornter See.
Da wachsen am gläsernen Grunde
die Märchen zu guter Stunde
und steigen singend zur Höh.

Am Ufer, da sitzen lauschend
Poeten und fangen sie ein.
Trägt jeder sein Märchen von dannen,
heißt es die Flügel spannen
und flattern ins Blaue hinein.
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Blumentränlein

Blume, lieblich Sonnenkind!
Duftgetränkt, umkost vom Wind
lächelst du in süßem Schweigen
zu der Falter Gaukelreigen.

Elfenmärchen raunt die Quelle
heimlich dir, die silberhelle,
wenn die Abendschatten dunkeln
und die Glühwurmlämpchen funkeln.

Amsel mit der weichen Flöte
singt beim Schein der Abendröte
deiner Schönheit Hohelieder.
Bienchen segeln hin und wieder
zärtlich deinen Kuß zu trinken.

Und – ein Tränlein seh ich blinken?
Daß der frohen Blumenseele
auch ein wenig Leid nicht fehle,
warf die Nacht im Frühlichtschein
schnell ein Tröpfchen Tau hinein.
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Das Dachkammer - Lichtlein

Wenn dämmernd über Dorf und Land
der Abend seine Schatten spannt,
und alles Leben leiser zieht,
das traumhaft wie ein fernes Lied
man Schifferruf und Schaufelschlag
vom Strom herüber hören mag,
sucht wohl mein Blick am Saum der Nacht,
ob schon mein Lichtlein aufgewacht.

Gehängt ins dunkle Ungefähr
grüßt über stille Gärten her
sein goldner Schein. So friedefroh
wird mir, als warte ich irgendwo
im Zeitendunkel trostbereit
ein warmes Licht für unser Leid.

Dachkammer - Sternlein, unbekannt,
ich grüße dich und dessen Hand
all`Abende unwandelbar
der Nacht dich hängt ins dunkle Haar!

Altrip a. Rh.
1917
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Das halbvergeßne Lied

(1.Fassung)

Wenn die Nacht aus ihrem dunkeln Rahmen
träumend mir und stumm entgegen sieht,
hör ich leise wie ein stilles Amen
meiner Heimat halbvergessen Lied.

Höre singend wieder Mädchen gehen,
Arm in Arm am Sonntagnachmittag.
Höre Waldesbäume rauschend wehen,
bei der Wetterpeitsche hartem Schlag.

Hell ein Sensendengeln hör ich klingen,
hör die Schwalben jubeln überm Tal.
Die zum Nest am Dach die Atzung bringen
fliegen her und hin wohl hundertmal!

Und das Abendglöckchen hör ich läuten,
wenn die Hütebuben heimwärts ziehn,
und zum Stall die satten Tiere schreiten.
Hör ins All die Stundenschläge fliehn!
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Das halbvergeßne Lied

(2. Fassung)

Wenn die Nacht aus ihren dunklen Rahmen
schlaflos mir und stumm entgegensieht
hör ich leise wie ein stilles Amen
meiner Heimat halbvergeßnes Lied.

Höre singend wieder Mädchen gehen,
Arm in Arm am Sonntagnachmittag.
Hör den Wald am Wege rauschend wehen
bei des Wettersturmes hartem Schlag.

Dengeln einer Sense hör ich klingen,
hör die Schwalben jubeln überm Tal.
Die zum Nest am Dach die Atzung bringen,
fliegen her und hin wohl hundertmal.

Und des Vaters Bienen summen wieder,
tragen in die Waben süßen Schmaus.
Kuckuck, weißt du keine andern Lieder?
Rufst noch immer nur dich selber aus!

Und das Abendglöcklein hör ich läuten,
wenn die Hütebuben heimwärts ziehn,
und zum Stall die satten Tiere schreiten.
Hör ins All die Stundenschläge fliehn.

Amen, Amen, geht des Glöckchens Weise,
Amen, singen Mädchen, rauschtder Wald.
Hirten rufen es, und echoleise
mir ein Schwalbenlied herüber hallt.
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Das Mädchen und die Nachtigall

Es sang der Vogel Nachtigall
im Wald beim kleinen Wasserfall
so sehnsuchtsvoll und weich.
Das Mädchen konnt nicht schlafen ein:
Ach Vöglein, laß dein Singen sein,
es scheint der Mond so bleich!

Was hat der Mond mit mir zu tun,
daß ich mein Lied soll lassen ruhn?
Ich singe lauter Lieb.
O Nachtigall, du singest mir Leid,
weil Lieb von Liebe ging so weit!
Mond schien so still und trüb.

Der gleiche Mond, wie er zur Stund
beim Försterhaus fern überm Grund
ins offene Fenster schaut.
Flieg, Nachtigall, flieg hin geschwind,
sing vor dem Fenster süß und lind
von einer treuen Braut!

Kehr eilig wieder dann zurück!
Und hast du, liebes Vöglein Glück,
mir einen Gruß gebracht,
dann singe wieder, Nachtigall,
dein süßes Lied am Wasserfall,
und wärs die ganze Nacht.
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Das Perlchen im Sand

Ein Perlchen lag bei der Quelle im Sand.
Hat es der Nöck einem Elflein gebracht?
Ist es ein Tränchen, geweint von der Nacht,
als sie kniete im Mondlicht am Quellenrand?

Ich griff nach dem blinkenden Perlchen, doch kaum,
da rann es zerbrochen mir aus der Hand
und verlief sich, ob Leid oder Lachen, im Sand!
War nur noch vergang`ne Sekunde im Raum.
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Der gefesselte Riese

An der starren vereisten Fährenlände
steht der Winter und reibt sich die frostigen Hände.
Gelungen, spricht er, der Sieg ist gewonnen,
und lächelt mit Augen wie eiskalte Sonnen.

Es streift sich den Raureif aus Bart und Haar:
Ihr Götter, leicht war das Werk nicht, fürwahr!
Das war ein Kampf in Nächten und Tagen!
Sie werden in Niefelheim Lob mir sagen.

Er reckt sich und ruft in die klirrenden Lande:
Triumph! Den Stromriesen schlug ich in Bande!
Die ewig eilenden Wellen, sie stehen!
Habt ihr noch solch einen Winter gesehen?

Das hörten die Menschen in Häusern und Hütten.
Sie kamen in Scharen heran und schritten
dem wehrlosen Riesen über den Nacken
mit Lärmen und Lachen. Der möchte sie packen,

das kribbelnde Ziefer und gurgelnd verschlucken,
und kann sich nicht rühren, muß duldend sich ducken.
Der Stromriese stöhnt: So schmachvoll gebunden!
Doch wartet, hab ich die Freiheit gefunden!

Schon wissen es alle Quellen und Bäche,
der Schnee auf der Alpen unendlicher Fläche.
Sie alle harren der Losung im Stillen,
die Adern mit Säften mir stürmisch zu füllen.

Dann spreng ich die Fessel, dann spring ich empor:
Hoiho, ihr Wassergeister, hervor!
Mein heimliches Heer, ich rufe es auf
zu tanzendem Wirbel, zu grausigem Lauf!

Und kann meine Rache den Winter nicht fassen,
ihr kecken Menschlein, ihr sollt mir erblassen!
Wie Ratten aus Löchern will ich euch jagen
und eure Werke zerbrechen, zerschlagen!

All meine grimmig verhaltene Wut,
ich werde sie jagen als Angst euch ins Blut,
wenn die Fessel bricht und die Scholle dröhnt!

Der Stromriese stöhnt.

(Rhein, Winter 1928/29)
( 30° Kälte und mehr)
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Der Runenkrug

Ich ging im Mondlicht auf der Heimat Flur,
als suchte ich nach einer lieben Spur,
nach Traumgestalten meiner Jugendzeit.
Ich fand sie nicht, sie gingen allzuweit!

Und suchend schritt ich fort im Geisterschein,
war wie auf weiter Gotteswelt allein.
Das Bächlein nur in hoher Gräser Haft
sang vor sich hin auf seiner Wanderschaft.

Mir war, auf einem Irrweg sei ich gangen.
Was mußt ich tun, Verlorenes zu erlangen?
Was war es denn, ein Stückchen froher Zeit?
ein liebes Wort? Ein Fädchen Herzeleid?

Die blanken Sterne wurden mählich blasser,
und heller ward und silberner das Wasser.
Der Krug - wie kam der Krug in meine Hand?
Verwittert waren Runenschrift und Rand.

Ich sah, aus grauer Vorzeit mußt er sein.
Den Göttern einst geweiht in Baum und Stein?
Ich füllte meinen Krug am Felsenborn
und trug ihn zu dem Stein im Hagedorn.

Da sah ich sitzen auf dem Runenstein -
wars nicht der lang gestorbne Ahn - ? Im Hain
ging leis ein Flüstern und verhaltnes Rauschen.
Wie alten Sagen schien der Greis zu lauschen.

Stumm sah ich in - es war der liebe Ahn,
deß Hand mich führte auf der ersten Bahn,
und dessen Mund mir einst in jungen Tagen
die Antwort gab auf tausend Kinderfragen.

Da sagte er: Kamst du mir nachgeschritten?
Hast du am Leben auch wie ich gelitten?
Ich ließ mich nieder auf des Steines Rand
und sagte still, den Blick im nächt`gen Land:

Ich litt - und liebte auch, was Gott mir gab.
Wir schwiegen lang. Da hob der Ahn den Stab.
Und nach dem fahlen rot am Himmelsrand
wies er und wies zum Krug, der mir stand:

Mich dürstet, gib vom Kruge mir, vom Quell!
Ich reichte ihm den Krug, sein Blick ward hell,
und langsam trank er. Wie ein kostbar Stück
reicht`er den Runenkrug mir dann zurück:

Das schmeckte gut, mein Enkelkind, hab Dank
für deinen heilig süßen Heimattrank!
Da sah ich staunend, wie das Wasser schwoll
und wirbelnd nun dem grauen Krug entquoll:

Es stieg der Tag empor in Rosenglut,
weit überschäumend, eine goldne Flut!
Sieh, sprach der Ahn, der Erde Glück und Leid,
sie schlafen im geweihten Krug der Zeit.

Wie aus dem Kruge steigt der goldne Tag,
so folgt die Nacht ihm und das Dunkel nach.
Doch aus dem Born der Heimat quillt die Kraft,
aufrecht zu gehen im Staub der Wanderschaft.

Es schwieg der Ahn. Ich wollte tastend greifen
nach meinem Krug und ließ die Blicke schweifen.
wollt nach dem Jenseits fragen und den Lieben.
Mein Krug - wo war der Märchenkrug geblieben? -

Fort war der Krug, und fort auch war der Ahn!
Da krähte seinen Morgenruf der Hahn!
In Kissen faßte suchend meine Hand -
ich war zurück aus weitem Traumesland.
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Der Sterne Ursprung

Stumm saß die Nacht am Ufer
der rastlos strömenden Zeit
und wob an ihren Schleiern
mit Garn der Ewigkeit.

Da war sie froh erschrocken:
Ihr flogen ohne Zahl
Goldkörner ins Gewebe
von köstlich mildem Strahl.

Und gütig eine Stimme
rief ihr: so webe du
ins Dunkel deiner Fäden
die Körnlein immerzu!

Mein Wille heißt sie leuchten.
Wacht wo ein Menschenkind,
daß seine bangen Stunden
nicht ohne Hoffnung sind.

Da wob die Nacht glückselig
die goldnen Funken ein
und trägt all nun im Kleide
flimmernden Sternenschein.
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Die Geige

Vom Meister bekam er die Geige
aus gütiger Hand:
Er, der die wertvolle nicht
zu spielen verstand.

Du bist ohne Seele, so rief er
dein Ton hat nicht Raum!
Drauf ging er und schlug die Geige
an einen Baum.

Da wimmerte leidvoll die Geige,
so sterbenswund.
Und es war wie heimliches Weinen
aus Mädchenmund.

Ach, hättest du den Bogen geführet
wie Er gewollt,
ich wäre ein Glück dir geworden,
reiner als Gold!

Es war mir vom Meister gegeben:
In Trauer und Not
sollt ich Vergessen Dir schenken;
die Geige war tot. [TOP Seite 1]

Die Quelle im Wald

Einmal wußt ich eine Quelle,
sprang in einem grünen Wald.
Sprang so froh aus ihrer Zelle,
dem bemoosten Felsenspalt.

Meine jungen Hände trugen
oft ein Buch zu Moos und Stein,
wo die Nachtigallen schlugen
sommerselig rings im Hain.

In die Heimat kam ich wieder,
und ich ging zur Quelle auch.
Nur ein Hall verstummter Lieder
hing noch welk in Baum und Strauch.

Und des Wassers traute Weise,
klang sie anders mir im Ohr?
Wandrer auf der Lebensreise
stand ich wie an fremden Tor.

* * * * *

2.Fassung; 1.und 2. Strophe anders:

Einstmal wußt ich eine Quelle,
sprang in einem grünen Wald.
Sprang so froh und silberhelle
aus dem grauen Felsenspalt.

Glück und Trauer tat ich tragen
zu dem Quell bei Moos und Stein,
wo die Nachtigallen schlagen
und da Echo klingt im Hain.
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Es geht eine Mühle . . . . . .

Es geht eine Mühle ohn`Rasten und Ruh,
bleibt nimmer und nimmer stehen.
Mahlt Liebes und Leides immerzu,
hört keiner die Räder sich drehen.

Sie mahlet Zepter und Kronen. In Staub
läßt sie Reiche zerfallen, verwehen.
Der Mühle fällt alles und alles zum Raub.
Sie mahlet Geschlechter und läßt sie wie Laub
in der ewigen Erde vergehen.

Und fragst du den Namen der Mühle, mein Kind -
Z e i t heißt die grausame, schnelle!
Manchmal, da hörst du sie gehen im Wind,
wenn die Stimmen des Tages versunken sind
in der ewig flutenden Welle.
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Es wollten die Wasser ans Licht

Die Wasser der Erde empörten sich.
Das brauste und drängte und murrte und schlich!
Das klagte: Wer stieß uns in ewige Nacht?
Und fragte: Wie kam das, wir sind eine Macht!
Wer hat uns ins Dunkel der Erde gebannt?
Wir sind doch den Winden, den Wolken verwandt!
Und wenn uns das Feuer da unten erfaßt,
die Feindin, die uns von Urbeginn haßt - ?
Und wollten wir kämpfen - all unsere Flut,
sie wären ein Tropfen in höllischer Glut!
Dem Feuer das Dunkel, uns Wassern das Licht!
Das murrte und tobte und fügte sich nicht
und drohte, sich mit dem Feuer zu mengen,
im Dampf den Ring der Erde zu sprengen!
Und endlich, da faßten die Wasser den Plan:
Wir sagens dem Herrgott, er weist uns die Bahn!
Es fand sich auch nach besinnlicher Zeit
ein herzhaftes Quellchen als Bote bereit.
Sie sprengten in Felsen ein kleines Tor
und ließen das silberne Quellchen hervor.
Das lief durch die Blumen am Wiesenrand:
Ach, wo`s nur den lieben Herrgott fand?
Da schluckte die Sonne es auf als Tau
und brachte es zu der Wolkenfrau.
Die trug es als Wölkchen vor Gottes Thron.
Ei sieh, sprach Gottvater, da bist du schon?
Ich hab euer Toben und Randalieren,
euer Wüten und Murren und Sabotieren
gar wohl vernommen und euer Klagen.
So will ich gnädig es mit euch wagen.
Ihr dürft auf die Erde, doch anders nicht
als in der Erfüllung befohlender Pflicht.
Ihr sollt die Blumen und Gräser tränken,
den Bäumen und Früchten das Wachstum schenken.
Ihr sollt die Brunnen der Menschen füllen,
in Bächlein den Durst der Tiere stillen,
in Flüssen und Strömen das Land durchziehen.
Und habt ihr den Mühlen die Kraft geliehen,
in Meere euch sammeln und Schiffe tragen,
die nach weltweiten Ufern jagen.
So melde den Wassern im Innern der Erde:
Es ruft ins Licht euch des Schöpfers Werde,
im Winde zu wandern, im Kreislauf der Wolken!
Mein Vaterblick will in Güte euch folgen!
Das Quellwölkchen weinte vor Glück und lachte.
Da winkte die Wolkenmutter ihm sachte:
Nun geh schön wieder ins Erdenland!
Und siehe, bald lief es am Wiesenrand,
war wieder ein Quellchen und suchte sein Tor. -
Hei, rauschten die Wasser nun freudig hervor!
Allüberall taten die Tore sich auf
und barsten die Felsen im Wasserlauf!
Die glucksenden Quellchen verschluckten sich fast,
es hielten die Bächlein im Grase nicht Rast
und boten zu trinken den Hirschlein und Rehen.
Es eilten Flüsse, die Räder zu drehen,
und Ströme trugen der Schiffe Last
und trieben zum Meere in drängender Hast.
So war es damals und ist es noch heut
und bleibt es in Gottes Ewigkeit.
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Ewige Seele

Seele, du Fackel aus Gottes Hand!
Gleich der Frühlingsgöttin im Baum,*
ewige Seele, du bist gebannt
in des Leibes vergänglichen Raum.

Und kommt dir dein Ostern und pocht ans Tor
und löst dir Bindung und Bann,
dann trittst du aus deinem Baume hervor
wie Hertha im heiligen Tann.

Dann magst du ins ewige endlose All,
ein seliger Funke, verschweben.
Und war doch- bei Sorge und Sündenfall-
so schön auf Erden das Leben!

*germanische Sage auf Rügen
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Fantasie in Weiß und Grün

Du mit dem wehenden lichtgrünen Haar,
Birkchen im weißen Gewand,
Birkchen, ich hab dich erkannt!
Standest du nicht bei dem Marmorschloß,
wo der silberne Strom vorüber floß
und wo meine Heimat vor Zeiten war?

Du meiner Augen liebliche Rast,
weckst mir ein altes uraltes Lied.
Und wie die blasse Wolke dort flieht,
geht meine Seele es suchen so weit!
Sang man es hinter den Grenzen der Zeit?
Sang mans am Strom, wenn der Abend verblaßt?

Birklein, ich sah dich stehen am Teich,
in stiller Schönheit, allein.
In den Lüften klangs perlend und rein
wie ferner Glöcklein Getön.
Ein goldgrüner Vogel saß fremd und schön
wie ein Schmuck dir im zarten Gezweig.

Den Kiesweg kam einsam ein Mädchen herab,
weiß gewandet und schlank wie du.
Dem blitzte am silbernen Schuh
die Spange smaragden und klar,
wie der Goldkamm im seidenen Haar,
und die Seide am Mieder saß knapp.

Mir war, du gingest wo der Wasserfall schäumt
und das Mädchen spiegle sich bleich
und schön im Seerosenteich -
Mein Birklein, was flüsterst du bebend mir zu.
Weißt um das Schloß und den Teich auch du? -

- - - - - - - - -

Gelt, Birkchen, wir haben so schön geträumt!
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Frohes Dach

Welch ein zwitschernd Jubilieren
früh an meinem Dach!
Schwalben, liebe Plaudertäschchen
seid als erste wieder wach.

Preiset wohl mit froher Rede
schon den Sommertag,
der vom Berge hinterm Nebel
goldgebändert kommen mag.

Flattersinnig Federvölklein,
nimm dich ha in acht!
Leicht, was fröhlich singt am Morgen,
holt die Katze sich zur Nacht.

Schleicht auch durch der Menschen Tage
solch ein graues Tier ;
greift sich heut ein singend Herzlein
dort zum Raub und morgen hier.

Graues Leid, o geh vorüber
mir an Herz und Haus!
Ach, der goldne Riegel Frohsinn
schließt das Leid ja nimmer aus!
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Herz im Sand

Es war mal ein Herz, konnt nimmer so fliegen
wie einst im blühenden Raum.
Mußt endlich bescheiden am Boden liegen,
doch träumt` es noch seligen Traum.

Da traf es ein achtloser Kinderschuh.
Das tat dem Herzen so weh.
Der Schuh, der hüpfte sorglos in Ruh
davon in den blühenden Klee.
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Kleine Birken - Ballade

Siehst du die Birke am Sandhügel dort?
Sie schaut nach dem See, immerfort, immerfort.
Wie eine Trauernde steht sie gebeugt,
die hängenden Zweige nach Osten geneigt.
Das hat ihr der Wind aus dem Westen getan.
Die Wolken hoch droben auf luftiger Bahn,
die jagen und treiben über sie weg -
sie blickt nach dem See im grünen Geheg.
Ich weiß eine Mär, und die sag ich dir jetzt.
Es geht eine herzwehe Sage im Wind,
von einem unseligen Königskind.
Das hatte sich über den Bootrand gebückt
und seinem Spiegelbild zugenickt.
Da war ihm das Krönlein vom seidigen Haar
in den See gefallen, der tückisch war.
Sie sprang ihm nach: Ich hol es hervor,
mein Krönlein, und läge es vor Wassermanns Tor!
Im Seebaum hängt es! Rasch nun zur Höh!
Ach wär ich ein Nixlein flink in der See!
Sie teilt mit schnellen Armen die Flut.
Da wird ihr so kalt auf einmal das Blut!
Ihr langes Haar ist von Muscheln durchsetzt,
den Fischleib mit Schuppen sieht sie entsetzt.
Hilf Himmel, der Wunschsee! Nun hab ich vertan
mein Leben im Lichte! Da schwimmt es heran -
der Wassermann fängt sie! Er lacht ihrer Wehr:
Du reizendes Fischlein, wo kommst du her?
Ich kenne doch alle Nixen im See.
Bist schöner als Lara und Lilifee.
Komm mit mir in mein kristallenes Schloß,
da soll dir gehorchen mein Dienertroß!
Sie windet und bäumt sich mit jammerndem Laut,
und glatt ist die silbergeschuppte Haut -
Sie ist ihm entglitten! Fort nur ins Licht!
Er hascht sie beim Goldhaar: Entkommst mir nicht!
In meinem Wasserschloß unten am Grund
will ich dich hüten zu jeder Stund!
Sie wimmert: Ach, lieber will ich im Schein
derzähl es nicht weiter, sie lachen zuletzt.
des Lichtes oben ein Bäumchen sein!
Da fällt ihr das Krönlein aus kraftloser Hand
und sinkt zum Grunde. Wie schlafgebannt
sieht sie es liegen tief unten im See.
Es wird ihr so eigen, so wunschlos und weh.
Sie fühlt sich erstarren - - Daß Gott erbarm:
Der Wassermann hält ein Bäumchen im Arm!
Das Bäumchen pflanzte Gottvaters Hand
als Birke sogleich in den Ufersand.
Da steht sie in Sonne und Wettergefahr,
die weiße Birke schon viel - viel Jahr.
Und wer das verlorene Krönlein ihr bringt
und Wasser vom Wunschsee - als Königin sinkt
sie ans Herz ihm, und er ist König im Land.
Siehst du die Birke dort drüben im Sand?
Wie sie in Trauergebärde sich neigt
nach dem See und einer Traumseele gleicht?
Sprich leis - ist sie das Königskind?
Sags nicht im Lande, sie spotten geschwind.
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