Lotte Mühlborn

                                                                                                              

Aus einem Nest

Das Nest in der alten Kiefer war leer,
vier Jungvögel flogen ins Leben hinaus.
Ade, liebe Wiege im Wipfelgebraus!
Zwei flogen ins fette Marschland am Meer.

Der dritte verblieb gemächlich daheim
bei Kussel und Kiefer im mageren Sand,
wo die Blaubeere wuchs und die Bremme stand.
Der letzte - wehe - ging auf den Leim.

Der sieht durch die Gitterstäbe die Welt.
Er probt zuweilen sein einsames Lied
und lauscht dem Wind im klirrenden Ried
und wie der Sommer der Regen fällt.

Vier Vögel, vier junge, verließen des Nest
im harzduftumwitterten heimischen Wald.
Die kennen sich nimmer und wurden alt
und sind verschollen in Osten und West.

Und sahn doch gemeinsam vor Tag und Jahr
aus einem Nest noch ins Morgenrot,
und trug ihnen Atzung in Liebe und Not
in die Wipfelwiege des Elternpaar.
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Bauer

Die Großen der Erde, ich neide sie nicht.
Und nicht, die in Ämtern sich bücken in Pflicht.

Die untergegangen im steinernen Meer,
sie kennen den Frieden der Weite nicht mehr.

Was wissen die Armen vom Puls der Natur?
Vom Lied bei der Arbeit? Sie fronen ja nur.

Ein Freiherr des Lebens, ein Bauer bin ich!
Nur Sonne und Regen Gebieter für mich.

Ein Stückchen der Erde, und sei es auch klein,
ein Stückchen der schönen Erde ist mein.

Ich bin mit dem Herrgott beim Schaffen auf Du,
ich säe, er spendet den Segen dazu.

Und ward mir ein friedliches Grab einst zum Lohn,
dann xxxxxFehler [TOP]

Das Lied in der Sommernacht

Der Mond hing silbern überm Tann,
am grünen Kleid der Erde spann
die laue Sommernacht.
Durch ihrer Spule zarten Gang
zog Rosenduft und Grillensang,
und alle Wasser gingen sacht.

Die Bäume standen auf dem Plan
als hielten sie den Odem an
in lauschendem Erwarten.
Und schweigend saß im Lindenbaum
der Nachtwind; manchmal wie im Traum
schlich er durch meinen Garten.

Verzaubert, selig eingewiegt,
saß ich, in meinen Stuhl geschmiegt
im blauen Mondesfrieden.
Wo war des Tages Lärm und Streit?
Wo all das kleine Menschenleid?
gab es noch Schuld hinieden?

Was mich bedrückte lag so fern,
und vor mir reihte Stern an Stern
die uferlose Weite.
Von ferne, kaum gehört, ein Sang
zog wie ein Äolsharfenklang
herüber aus der Heide.

Mir war, das losgebundne Ich,
im Raume trieb es feierlich
nach ew`gem Weltgesetze.
War ich entschlafen und ging ein
im Himmelsfrieden? Hing ich fein
der Nacht im Silbernetze?

Da kam es näher, Klang und Sang.
Ein Liebe- Lied, so süß und bang,
aus junger Menschenkehle!
Den Heckenweg am Garten ging
ein Pärchen, dem der Himmel hing
in liebesel`ger Seele!
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Die Wiese vor Johanni

Was ist wohl nächtens der Wiese,
meiner blühenden Wiese geschehn?
Ich sah sie beim Morgendämmern
in Tränen stehn.

Ich glaube, es ging ihr am Abend
- die Nachtigall schluchzte im Park –
beim Dengelklingen der Sense
ein Bangen durchs Mark.

Sie hat wohl das Klingen verstanden,
ihr helles Sterbegeläut,
und netzte mit tausend Tränen
ihr Blumenkleid.
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Ein gelbes Blättchen sank herab

Am Birkchen saß ich auf der Bank
und las versonnen einen Spruch
von Welken und Verwehn, da sank
sein gelbes Blättchen mir aufs Buch.

Es lag so still, das welke Blatt -
ein Punkt, ein Siegel schien es mir.
War wie ein Amen, leis und matt
gefallen aus der Himmelstür.

Im Schrank verwahrt ich drauf das Buch,
und drin ein Birkenblättchen lag.
Da soll es liegen, Blatt bei Spruch,
bis eine Hand es finden mag.
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Es will der Sommer gehen

Wie der Sommer heimlich rüstet
für die Reise, merkt` ich heut.
Wie er gelbe Abschiedskärtchen
in das Grün der Bäume streut.

Bläst er nicht dem Schwalbenvolke
schon zum Sammeln? Und zur Nacht
haucht er kühl in Blumenaugen,
was sie müd und schläfrig macht.

Weiße Fäden lässt er flattern,
leicht, wie Abschiedsschleier weh`n.
Eine Krähe sah ich düster
über Stoppelfelder gehn.
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Froschkritik

Ein Rosenkäfer krabbelte
in seinem Blütendorn umher,
fiel auf den Rück` und zappelte
und mühte sich gar sehr .

Ein Fröschlein sah`s vom Teich davor.
Das schwamm herzu und quabbelte
und reckte sich und schwabbelte:
Ei, Brüder, seht mir doch den Tor!
Was doch der Tapp im Strauch verlor!
Der Rosendorn sticht ihn zutod,
eh noch verglomm das Abendrot!

Da quakten sie im Chore,
vom Teich und aus dem Rohre:
Der ungeschickte Krabbelmann!
Wer wird in Dornen wandern,
wo er vergnügt mit andern
im Teiche sitzen kann!
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Herbstahnen

Mir vor die Füße taumelt
ein gelbes Buchenblatt.
Ein Brieflein, das der Herbst mir
zum Gruß gesendet hat?

Steht ja in Mittagshöhe
das Jahr noch grüngeschmückt!
Hat denn das große Welken
die Schwingen schon gerückt?

Da kommt mirs, daß ich gestern
- ich stand im Festgewandden
ersten Silberfaden
im braunen Haare fand.
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Im grünen Gotteswinkel

Bergwiese du, in deiner grünen Hege
lieg`ich vergnügt, vom Wälderkranz umringt.
Ein weiches Lüftlein nur ist um die Wege,
das manchmal fröhlich in die Gräser springt.

Ich höre, wie die Vögel ihre Psalme
voll Jubel singen und die Grillen geigen.
Seh, wie die Wolken ziehen, wie schlanke Halme
sich in den Hüften wiegen und sich neigen.

Ich seh`das rote Reh im grünen Grunde,
vom Abendstrahl besonnt. Gelt, Rehlein du
so friedsam und köstlich ist die Stunde,
als neigten Engel sich uns freundlich zu.

Ach, daß doch nimmer dich der Jäger finde!
Die Hände falten sich - wars ein Gebet?
Verloren summ ich mit im lauen Winde,
durch den ein fernes Aveglöcklein geht.
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Im Krug „Zur wilden Rose“

Ein Lampenwürmchen gondelte
still durch die laue Sommernacht.
Am Heckenrain der Wiese stand,
wie eingestickt ins grüne Band,
ein Dornenbusch in Rosenpracht.

Das Lampenwürmchen freute sich:
Der Krug Zur wilden Rose hier
ist weit bekannt, ein gutes Haus!
Goldkäfer gehn da ein und aus.
Hier find ich wohl ein Nachtquartier.

Mit seinem Lämpchen leuchtet es
die seidnen Rosenbettchen ab.
O weh, ist alles schon besetzt!
Was mach ich armes Würmchen jetzt?
Da purzelt, plums, etwas herab!

Ein dicker Rosenkäfer glitt
im Traum aus seinem Bett heraus!
Da steigt Glühwürmchen ein in Ruh,
zieht sacht den seidnen Vorhang zu
und bläst sein Lampenlichtchen aus.
Gutnacht im schönen Rosenhaus !
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In des Jahres hoher Zeit

Wie grün ist die Erde, wie blühend und schön,
der seidige Himmel darüber wie blau!
In tausend kristallenen Spieglein von Tau
kann sich die Sonne am Morgen besehn.

Der Wolken zartweiße Lämmer, sie grasen
gemächlich die Fluren des Himmels ab.
Der Windwolf umspringt sie in spielendem Trab
und neckt sie zuweilen mit heimlichem Blasen.

Die Wässerlein wispern und springen zu Tal.
O sagt, was habt ihr da oben gesehen?
Saht ihr den Weltenschöpfer gehen
in seiner Glorie goldenem Strahl?
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Jed Blumenseelchen weinte

Ein Tälchen durchwandert ich heute,
drin gingen der Sensen viel,
die rafften in rauhem Spiel
sich Gräser und Blumen zur Beute.

Jed Blumenseelchen,das weinte
als welkender Duft nun im Wind
und suchte sein Blumenkind
und klagte der Sensen, der Feinde.

Saß träumend ein Pärchen am Hang,
wo zarte Wildröslein sprießen.
Ach Liebster, wie duften die Wiesen!
Du Mädel im roten Kleide,
was weißt du von ihrem Leide,
vom bitteren Sensengang!
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Johanniszeit

Wenn ins grün der Wiesen
bunte Farben schießen
und die Sense klinget früh und spät,
wenn auf Rosenhecken
Halmenfähnlein stecken
und der Heuduft in den Gassen steht,
wenn zu Gartenkieseln
Rosenblätter rieseln
und der Lenz dem Sommer reicht die Hand,
ist der Schöpfer leise
auf der Weltenreise,
segnet seine Menschen und ihr Land.
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Juligewitter

Welch ein Furioso in den Lüften!
Wasser, Feuer, Sturm und Donnerschlag!
Steigen wohl die Toten aus den Grüften,
die gewartet auf den Jüngsten Tag?

Zürnt Gottvater oder will er segnen?
Sieh, er läßt in seiner Vaterhuld
über Gute ja und Böse regnen.
Herr, vergib uns allen unsre Schuld!
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Kleines ländliches Intermezzo

Zum reden hat uns Gott den Mund gegeben,
sagt Lene Tratsch zu Lise Trampelbein.
Da ruft Hein Schalk im Ackerstück daneben:
Und tat auch gleich die Zähn zum beißen rein!

Stracks läßt die Lene ihre Sichel fallen
und sucht nach einer Scholle Ackergrund.
Und Lise ruft: Könnt ich dir eine knallen!
Wart nur, du kriegst sie noch zu guter Stund!

Da schielt Hein Schalk vergnügt nach Lis und Lene
und strählt sich mit der Hand den nassen Schopf:
Hü hott, ihr Braunen, macht euch auf die Beene,
sonst fliegen uns die Täubchen auf`n Kopf!
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Mittags wenn die Grille geigt

Wüßt ich nur, was solls bedeuten,
daß die Hummelglocken läuten
weithin überm Wiesengrund!
Kommt mit Pracht und holdem Prangen
wohl die Blumenfee gegangen
mit dem Himmelsschlüsselbund?

Ei, so will ich hinter Hecken
mich am Wiesenhang verstecken,
will das holde Wunder sehn!
Horch, da geigt auch schon die Grille,
und ich höre in der Stille
Lobgesang von Bienen gehen!

All was krabbelt, will mir scheinen,
ist zur Stunde auf den Beinen;
Heupferd rennt und Haselmaus.
Iglein hebt die spitze Nase,
und am Wald lauscht der Hase
aufgereckt ins Tal hinaus.

Quellchens wisperfrohe Wellen
wispern froher noch im hellen
Ufersand. Und darüber steht
wie ein zarter Gottgedanke
einer Wasserjungfer schlanke
Lichtgestalt wie ein Gebet.

Leiser werden Sang und Glocken,
und die Geige hör ich locken
fern schon am Wiesenbort --
Jählings wach ich auf und höre
statt der süßen Mittagschöre
Wagenlärm und Fuhrmannswort!
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Ob Sonne oder Regen –

Ob die Sonne golden
mir ins Fenster scheint
oder ob der Regen
an die Scheiben weint,

immer fühl ich walten
eines Gottes Hand,
der mir Lieb – und Leides
weislich zugesandt.

Sonnenschein und Regen
braucht ja auch die Flur.
Drum, Gottvater, schicke
mir denn beides nur.
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Pappel am Deich

Einsam ragende Pappel am Mühlendeich,
wie du Sinnbild stolz verhaltener Ruhe
und stiller Größe mir bist!
Erdabgewendet hebst du dein Haupt in den Äther,
strebst du mit allen Trieben in Höhe und Licht.
Scheinst mit dem Wipfel zu schauen in andere Welten,
dem Wohnsitz der Blitze, des Hagels wolkigem Bett.
Weither siehst du sie kommen, die Wetter des Sommers.
Vor Gottes brausendem Odem dich neigend
in stolzer Demut, flüsterst du bittend
mit all deinen tausend grüngoldenen Blättern:
" Herr über Blitze und Wolken,
Vater der Welten, schütze das Mühlendach!
Soll es denn sein, so lenke den schmetternden Strahl
mir in das Herz, doch schone, verschone das Dach!"
Einsam ragende Pappel am Mühlendeich,
wie du mir Sinnbild stiller Größe doch bist!
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Schließt die Läden -

Schließt die Läden an der Wetterwand!
Hängt den Haken ein am Eisenband!
Hört ihr, wie der Sturmesrosse Hufe
donnern über Wald und Dach und Stufe?

Ihre wilde zügellose Horde
fegt die Felder, rüttelt an der Pforte.
Herr im Himmel, blies der Höllengraus
schnaubend gar das liebe Mondlicht aus?

Höret ihr dem Baum im Hofe splittern,
wo die Finken noch die Junge füttern?
Still im Turmloch sitzt der Kauz und lauscht,
wie es draußen tobt und zornig rauscht.

Fürchte Sturm und Dunkel nicht, mein Kind,
sags Gebetlein fromm und schlaf geschwind.
Morgen wieder bricht aus Gottes Tor
leuchtend uns das ewge Licht hervor.
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Schwalbenjubilate

Beim Ruhen freundlich versonnen
lausch ich der kleinen Schwalbe am Dach.
Du Schwälblein, aus welchen Bronnen
strömt die die Fülle der Wonnen
gleich Silberwellchen im Kieselbach?

Hast du ein Liebchen gefunden?
Ist ja gekommen der bräutliche Mai!
Gilt sie den Blumen, den bunten,
den warmen goldenen Stunden,
o Schwälbchen, die selige Litanei?

Warum ich juble und singe
vom frühen Lichte bis dämmert die Nacht?
Ich danke dem Schöpfer der Dinge,
daß er mich fröhliche Schwinge
nicht achtlos zu einem Menschen gemacht.
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Septemberstimmung

Matter blicken uns die blauen
sommerstillen Tage an.
Wie in heiterem Entsagen
Kranke stilles Wissen tragen,
gehn sie leise ihre Bahn.

Wie voll süß geheimer Trauer
ist die Luft. Am Baum das Blatt
spürt es auch und will erbleichen,
späht von tragemüden Zweigen
schon nach seiner Ruhestatt.

Aber dort in bunten Gärten
späte Rosen stehn in Glut:
„Nein, wir wissen nicht von Sterben!
Weit noch, weit ist das Verderben!“
Sonne lächelt weich und gut.

Zärtlich hängt sie ihre feinsten
Schleier über Tal und Höh`n:
„Meine Kinder ihr in Walde,
Feld und Garten, balde balde
sollt ihr alle schlafen gehen!
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Sommernachtstraum

Der Mond hing silbern überm Tann.
Am grünen Erdensaume spann
die laue Sommernacht.
In ihrer Spule zartem Gang
hing Rosenduft und Grillensang,
und alle Wasser gingen sacht.

Mir war, das freigewordne Ich,
im Raume trieb es feierlich
nach ew`gem Weltgesetz.
War ich gerufen und ging ein
im Himmelsfrieden? Hing ich fein
der Nacht im Silbernetz?

Da kam es näher, Klang und Sang - !
Ein Liebesliedlein, selig - bang
aus junger Menschenkehle!
Und die es sangen, sel`ge Zwei,
die waren lang den Weg vorbei,
als ich das Leideslied bedacht.
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Sommerregen

Ein verschlafner Sommerregen
trendelt auf verträumten Wegen
trippel – trappel über Land.
Seiner Tropfen leisem Tritte
lauscht die Flur. In Gräser Mitte
schleicht der Bach wie schlafgebannt.

Hingeduckt im stumpfen Lichte,
wie der Wiesen graue Wichte
hockt in Reihen dort das Heu.
Ratlos waldentlang im Grase
hoppelt missvergnügt ein Hase:
Naß das Gras und naß die Streu!

Traumhaft geht des Quellchens Weise,
kaum ein Lüftchen atmet leise,
fernher ruft ein Kuckuck nur.
In gedämpften Doppelschlägen
pocht sein Ruf im stillen Regen
wie der Herzschlag der Natur.
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Und das Vogelherz hört keiner klingen

Gott, sie suchen dich in stolzen Domen;
in der Kirchen Glanz, in stiller Zelle.
Aber wo du groß und herrlich gehst,
rätselschön in jedem Blümlein stehst,
sehn sie Gras und Bäume nur und Quelle.

Doch das Grillchen, das im Grase zirpt,
mag dich selig im Geheimen spüren.
Bienchen segelt durch die Sommerluft,
sucht den Herrgottskelch im Blumenduft,
Spinnlein webt an feinen Silberschnüren.

Und dem kleinen Vogel will die Brust
voll von Dank und Jubel fast zerspringen!
Deine Menschen nur, o Schöpfer, sind
für die Wunder deiner Güte blind,
und das Vogelherz hört keiner klingen.
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„Und die Geige zersprang - !“

Wir lagen vergnüglich im Grase am Bach
und zählten die Wolkenschäfchen
hoch droben am blauen Himmelsdach.
Der Wind machte grad ein Schläfchen.

Da nahm das Grillchen die Geige von Glas
und hing wie von silbernen Schnüren
ein Netz über träumende Kinder im Gras.
Die lauschten wie hinter Türen.
Und die Kinder tanzten am Wasserfall,
die trugen Krönlein von Golde
und spielten mit einem silbernen Ball,
der klingend im Rasen rollte.

Da bellte Pluto beim Rattenfang
am Mühldeich und riß entzwei
das klingende Netz, und die Geige zersprang
mit der silbernen Litanei!
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Wenn die Astern müde werden

Wie die Astern dort sich neigen
auf dem buntgefüllten Beet!
Hörten sie den Herbstwind geigen,
der in Stoppelfeldern geht?

Sinnen sie dem traurig - leisen
Schlummerliede ratlos nach?
Sommer wirft die goldnen Weisen
ja noch klingend in den Tag!

Aber nächtlich klagt ein Wissen
aus der Fiedel, dumpf und müd,
daß sie immer denken müssen
an das dunkle Schlummerlied.
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Wiese, du arme - du reiche!

Wiese, du arme, im seligsten Blühen
hat dich die Sense getroffen!
Wie lachtest du doch in tauigen Frühen
der Sonne entgegen, die funkelndes Sprühen
dir streute ins schwellende Hoffen!

Wiese, du reiche, oft werden noch Sonnen
ins glitzernde Stirnband dir scheinen,
viel Gräser dir grünen, Düfte umsponnen,
viel goldene Morgen dir tauen in Wonnen -
Ich, Wiese, ich hatte nur einen.
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Wiese, du grüne

Wiese, du grüne, die just im Blühen
des Schnitters Sense getroffen,
lachtest in blauen, tauigen Frühen
der Sonne entgegen, die funkelndes Sprühen
dir streute ins schwellende Hoffen.

Wiese, du arme, dir raubte man heute
die jungfrischen Kinder, die schlanken.
Die Sensen, des Todes klirrende Meute,
sie rauschten und rafften und raubten die Beute
und die Halme, die Halme die sanken.

Wiese, du reiche, oft wird noch die Sonne
ins glitzernde Stirnband dir scheinen,
viel Hoffen dir grünen, von Düften umsponnen,
viel goldenen Morgen dir tauen in Wonnen.
Ich, Wiese, ich hatte nur einen.
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