Lotte Mühlborn

                                                                                                              

Birkenfantasie

Draußen in des Rheines Auland
hüten alte graue Pappeln
still ein weißes Birkenwäldchen.
Wie vor Zeiten reis`ge Ritter
ihres Königs holde Kinder
treu bewachten, stehn die Kämpen
in Parade, hoch und trotzig.
Draußen bei dem Birkenwäldchen
wob des Herbsttags weiche Bläue
mit dem matten Gold der Sonne
mir ein duftig Traumgebilde. –

Fern an waldigen Gestaden,
in dem blauen Thuleland
wiegten sich in anmutsvollem
Reigen lilienschlanke Mädchen.
Schimmernd um die feinen Glieder
flog der Seide Blütenschnee,
und in duftig grünen Schleiern
fing der Seewind sich im Spiele.

Waren alle Fürstenkinder
rings im Lande heut geladen
zu dem Wiegenfest der Einen,
der Prinzessin Silbertraude.
Lieblich jetzt in Gras und Blumen
wie ein Frühlingsblüten-Kranz
rasten sie von Tanz und Spiel.
In die blaue Weite gehen
mit den weißen wanderfrohen
Wolken Silbertraudens Blicke.

Und sie denkt der dunklen Sagen,
denkt der rosenhellen Märchen,
die Gothlindis ihr, die Amme
oft erzählte. Und ein Sehnen
wachte wieder heimlich drängend
auf in ihrer jungen Seele.
Herrin, ruft es da im Kreise,
holde Herrin, sag, was sinnen
deine Augen, traumverloren?

Müde sind wir müß`ger Ruhe,
gib uns, Herrin, neue Spiele
Und die Jungfrau hellen Auges
jäh sich hebt vom blum`gen Grunde:
Auf, Gespielen, kommt zur Waldfrau!
Neues weiß ich euch und Schönes!
Und der weiße Kranz zerflattert,
wie wenn Lenzwind in die Blüten
scherzend fährt. - -

An des Parkes Ende,
wo der Föhrenwald sich dehnet
und die Quelle hast`gen Laufes
scheu der finstern Schlucht entrinnt,
steht die moosbedeckte Hütte,
drin die Waldfrau einsam hauset
an die hundert Jahre schon.
Zauberkundig ist die Alte,
sagt das Volk und meidet gerne
Hütte, Schlucht und Föhrengrund. –

Vor die Waldfrau sonder Zagen
tritt das Königskind zur Stunde:
Laß, o Wala, deine Kräuter!
Deines Zauberstabes Kräfte
sollst du jetzo mir beweisen.

Lange trage ich ein Sehnen
nach der Welt, die fern im Süden
über weiten Meeren blüht,
fremd und schön und rätselvoll.
Doch kein Segel sah ich treiben
hin zu ihr und keines kehren.
Wind und Wogen und des Himmels
Wolken schwiegen meiner Fragen.
Doch die Sonne, meerentstiegen
scheint in ihrem Rosenschimmer
einen Abglanz noch zu tragen
jener schönen fremden Welt.
Und die Abendschatten hängen
blau und weich vor jenen Fernen,
so, als ob die Nacht ein köstlich
Kleinod zart in Schleier hülle.

Jene Welt , o gute Wala
laß mich sehen allsogleich,
mich und meine frohen Gäste!
Laß uns sehen, laß uns sehen,
weise Walas, rufts im Kreise.

Doch die Wala ernsten Auges
langsam hebt die dürren Hände:
Königstochter, laß dich warnen!
Dein Begehren, keck verwegen,
birgt Gefahren sondrer Art.
Deinem Wunsch zu willfahren
müsste ich die Zauberlosung
leise in das Ohr dir sagen.
Die mit des Gedankens Schnelle
in das Wunschland deiner Träume
dich hinüber trägt, die Losung
ist ein einzig kleines Wörtlein.
Doch das Wort, das Wort hat Flügel!
Nimmer fändest du nach Thule,
du und deine frohen Gäste,
flög das Wörtlein dir von dannen.

Wala, sage mir das Wörtlein!
Flehend rufts die Königstochter,
sag ihr, sag ihr! flehts im Kreise.
Wala, hüten will ich’s Wörtlein
heilig in des Herzens Schrein,
daß es nimmer mir entrinne!

Drauf die Alte: Laß dir sagen,
töricht auch ist dein Begehren.
Jene Welt von lichter Schöne,
wie dein Sehnen dir sie malt,
ist ein Irrland voller Fehle,
drin die Unrast quälend wohnt.
Mächtig herrscht und allgewaltig
dort ein sieggewohnter König,
dem die Mensche zahllos, wahllos
Opfer bringen ohne Ende.

Mammon heißt der schlimme König.
Eine Geißel statt des Zepters
schwingt er, und des Zankes Apfel
trägt die Hand, und im Kampf nur winkt er.
Völker kämpfen gegen Völker
wie der Bruder gegen Brüder.
Halt, o Wala, nimmer glauben
kann ich deiner schlimmen Rede,
allzuschwarz hast du gemalt.
Aber sei es, daß die Farben
deines Pinsels echt und wahrhaft –
sieh den Baum vor deiner Hütte,
Wala, sieh ihn Schatten werfen.
Nimmer läg im hellen Grase
dort der Schatten ohne einer
Sonne golden strahlend Licht.
Drum so tauche deinen Pinsel
jetzo in die lichten Farben;
male mir den Glanz der Sonne,
die so schwarze Schatten zeugt!

Töricht Kind, so ruft die Alte,
wisse jener hehre Schimmer
ist unsichtbar ird`schem Auge,
wie der Rosenduft, der drüben
aus dem Heckendorne quillt.
Jeder malt im eignen Busen
sich die Welt und mischt die Farben
wie Natur ihn oder Schicksal
heißen, und nur Auserwählten
strahlt das Bild in reiner Schöne.

Nimmer soll den Sinn mir wenden
kluge Wala, deine Rede!
Einer Sage muß ich denken,
die beim Herdschein in der Halle
jüngst ein fahrender Geselle
uns verkündet. Viel des Schönen
barg des Sanges fremde Weise.
Pries auch einen Strom, der mächtig
in smaragdnen Wellen schreitet
drauf die singenden, die weißen
wimpelfrohen Schifflein gleiten.
Trotzig-stolze Burgen blicken
grüßend in den lichten Strom,
den wie aufgereihte Perlen
an dem grünen Band der Wälder
Städte kränzen, schön und reich.
Heilig hütet eines Volkes
Liebe jenen lichten Strom
wie den Pulsschlag seines Lebens,
und das Herzblut seiner Söhne
floß um ihn in tausend Kämpfen.
An den Strom, den grünen, frohen
soll dein Zauberstab mich führen,
Wala, mich und die Gespielen,
daß ihn unsre Augen schauen.
Daß ihn unsre Augen schauen
führ uns an den Strom, den grünen!,
ruft es drängend in der Runde,
ruft es weich und süß betörend.
Und die Alte stumm zur Ecke
schreitet, wo das schwarze Kästlein
mit den wunderlichen Runen
unterm Laub des Lagers ruht.

Vor die Königstochter tretend
hebt sie also an: So wisse,
deinem Sehnen wird Erfüllung.
Doch bevor die Sonne drüben
in die dunkeln Föhren sinkt,
muß des Zauberwortes Kraft euch
wieder in die Heimat bringen.
Sonst – o höre Königstochter! –
ist das Leben dir zerbrochen,
dir und deinen holden Gästen.
Denn als weiße Bäumlein wurzeln
müsstet ihr in fremder Erde,
bis Natur euch selber löste
aus dem schicksalschweren Bann.
Oder bis der Menschen scharfer
Eisenstahl ins Herz euch träfe.
Dann, der Fessel frei zur Stunde
kehrtet ihr zur Heimat wieder,
doch zu Glück und Freude nicht.
Euer Leben wär vollendet.
Ernst im stumm gewordnen Kreise
steht die Waldfrau. Ob ihr Warnen
wohl die kecken Kinder schreckte - ?
Ach, sie kennt ja nicht die Sehnsucht,
deren Flügel keiner bindet
mit des Wortes leerem Schall!
Wer, so klingts in rascher Frage,
will beim Wunderfluge jetzo
mir noch Fahrtgenossin sein?
Wem der Wala Wort im Herzen
zittert in des Zweifels Bangen
trete sonder Scheu zur Seite. –
Keine? – Sieh, o Wala, keine
zagt ob deiner Rede Schrecknis,
keine steht zurück! So eile
und entfalte deine Künste!
Nenne mir die Zauberlosung,
die zurück uns führt nach Thule!
Herrisch rufts die Fürstentochter,
und ihr blaues Auge blitzend
heischt Gehorsam von der Alten.
Sei es, spricht die Wala zürnend,
sei es, wahngeblendet Mädchen!
Eh die Sonne sinket – hör es! –
rufe nordwärts diesen Namen.
Und ins Ohr der Königstochter
dreimal raunt sie einen Namen.
Dreimal zieht mit ihrem Stabe
sie den Kreis, den wechselvollen
murmelnd um die Fürstenkinder,
die des Atmens schier vergessen.
Raunend winkt sie in die Lüfte:
Husch! Die Alte steht allein. –
--------------------------------------
Horch, was klirrt und eilt im Forste,
und was blitzt im dunkeln Holz?
Wala, deiner Hütte naht es
wie ein dräuend Wolkenwetter,
wie die dunkle Rache selber!
Eine Schar im Eisenkleide
schnaubt wie auf des Sturmes Flügeln
dort heran. Der an der Spitze,
Hildung ist es, ist des Königs
vielgetreuer Waffenmeister.
An der Wala Türe dröhnend
pocht des Alten Hellebarde,
daß es weithin widerhallt.
Hexe, ruft er donnernd, Hexe!
Sprich, wo sind die Fürstenkinder?
Sonder Furcht am kleinen Fenster,
das des Waldes Reben wuchernd
übersponnen, lehnt die Wala.
Nur die Silbersträhne zittert,
die sich unterm schwarzen Tuche
vorgedrängt. Was fragst du, Graubart?
Hat doch keiner mich zum Wächter
aufgestellt. Unselig Wesen!
Deiner Hütte sah man jene
nahen, und wie Schnee im Föhnwind
schwanden sie in deiner Nähe,
daß auch Spur und Laut wir nimmer
finden in der Runde. Rede!
Gib, die unserm Schutz befohlen,
gib sie augenblicks heraus!
Nach den Föhren späht die Wala,
deren Wipfel schon die rote
Sonnenscheibe dunkel streifen.
Eines bangen Atemzuges
Länge schweigt ihr Mund, und wieder
pocht es an die grauen Bohlen,
zorn`ger Rache Einlaß heischend.
Hildung, hebt die Alte jetzo
an, und müde klingt die Stimme,
einen Feind am Hofe weiß ich,
der gar schlimmen Rat mir oftmal
in das Ohr des Königs raunte.
Hildung deine Weise kenn ich!

War im mürb gewordnen Netze
dir der starke Hecht entronnen
oder über Nacht das Raubtier
deiner Falle, hatt` ins Blaue
sich dein rascher Pfeil verirret,
den dem Falken du vermeintest,
oder räumte unterm Rotwild
einer Seuche wütend Schrecknis,
immer immer tats die Wala,
wars die Hexe dort im Grund.
Ha, die Wala geht zur Beichte,
höhnt der Alte, weiter, Liebchen,
weiter, bist ja fein im Zuge!
Von der Einen sprich, der Blonden
ha, du weißt – ihm stockt die Rede,
quillt im Halse doch der Haß ihm.
Haß auch sprühn die dunklen Augen,
und die harten Hände fassen
fester um den Schaft der Waffe.

Hildung, spricht die Waldfrau leise,
will die alte Wunde nimmer
denn vernarben, die dem Manne
einst ein treulos Weib geschlagen?
Muß der Greis ihr grimmes Brennen
spüren, so nur des Gedankens
leiser Finger daran tastet?
Schweig mir, Katze, will und kann dein
frommes Schnurren nimmer hören!
Deiner Krallen muß ich denken,
die wie keiner ich verspürte.
Die des Waldes scheue Taube
mir vom Herzen blutend rissen. –
O des Wahnes! ruft die Waldfrau,
und wie Feuerflammen lodern
ihre Worte, lange weiß ich,
wessen Hand den Stein mir legte
noch zur schweren Lebensbürde!
Lange aus dem Licht des Tages
in den Urgrund aller Mächte
hätt mich jene Hand geschleudert,
wenn des Königs Gnad und Güte
mir nicht Blut und Leben schirmte.
Ha, bei Thor, du redest Wahrheit!
knirrscht der Alte. Nach den Föhren,
drin des Abends letzte Gluten
scheidend hangen, blickt die Wala,
und ihr dünkt, daß in den Dornen
dort das Herz der Welt verblute.
Murrend stehen die Gesellen,
ihres Herren Winks gewärtig.

Doch in ferne Tage schauend,
wie in Zauberring geschlossen
steht geneigten Haupts Herr Hildung.
Steht und lauscht verhasster Stimme,
die den leisen Staub der Jahre
ihm von blassen Bildern wischt.
Sieht den Herbsttag golden wieder
durch die Buchenwipfel blicken
auf des Waidwerks bunt Gewoge.
Hört das Horn Halali blasen,
lieblich in Gehäng und Klüften
ein melodisch Echo weckend.
Und er schaut an steingefasster
Quelle dort am Runenfelsen
bleich und blutend seinen Herrn.
Von des Ebers grimmen Zahne
schwer getroffen liegt der König,
wie des Waldes Riesen einer,
den der Sturm dahingeschmettert.
Und des Lebens roter Springquell
rieselt heiß und drängt zutage,
will kein Tuch und Band ihn dämmen.
Helft, ihr Götter, sendet Rettung! –
Horch, da rauscht es in den Büschen,
und ein sondres Pärlein steiget
eilig zu der Quelle nieder.
Fridolin, der Troßbub, ist es,
und er trägt auf seinem Rücken
ein gar alt verhutzelt Weiblein.
Taumelnd in die Heideblüten
lässt er seine Bürde gleiten:
Meine Muhme – sie wird helfen -.
Heiß vom Lauf und hinter Atem
sinkt er in die roten Glöckchen.
Sie wird helfen, `s ist die Wala!
Wie befreites Atmen geht es
durch den Kreis der Waidgesellen,
durch den Wald in leisem Rauschen.
Und der Wala braune Finger
träufeln Saft aus weißen Wurzeln,
legen Kräuter auf die Wunde,
allsogleich das Rinnsal hemmend.
Drauf so schwindet sie im Buschwerk,
eh des Königs Dank ihr lohnet
Doch der Junge steht, ein Sieger
stolz berichtend vor dem König.
Droben bei den Dreizehn Tannen
hat er sie erspäht, die Muhme,
als die Jagd vorüberbrauste
nah der Stelle, wo die weißen
Wurzeln wachsen im Gesteine. - -
Allso reden lang verklungne
Stimmen auf Herrn Hildung ein;
bis ein schmerzlich- süßer Name
pocht an seiner Seele Pforten,
wie ein jäher Hall ihn weckend.
O Waltrudis, nie Vergessne!
Jene Salbe, die aufs neue
eurer Ärzte Kunst beschämte,
hohnvoll sprichts und stolz die Wala,
jene Salbe zu bereiten
lehrt ich sie, die deines Königs
Wunde heilte und dem Siechen
neu das frohe Leben schenkte.
Daß der Dirn im Sommerwalde
dort ihr Schicksal trat entgegen,
jung und keck, im Jägerkleide,
sage an, was sollt ich’s wenden?
Hattest du, dein Glück zu hüten
mich zur Wächterin bestellt?
Sag, was hielten deine Hände
fester nicht, was sie besessen?
Hildung, bist ein schlechter Hüter!
Wende westwärts deine Blicke,
wo der Sonne goldner Griffel
ihren Scheidebrief uns flammend
in die weißen Wolken schrieb.
Fern in ihrer nächtlich tiefen
Wiege ruht sie, und kein Flehen,
keine Macht, kein Wunder führet
sie ins Heute uns zurück.
Allso nimmer – hör es Hildung! –
kehret auch die Königstochter.
Nimmer kehrt nach Thule wieder
deine Herrin Silbertraude!
Langsam wendet sich die Waldfrau.
Wala! Hexe! meine Ahnung!
Klirrend in das kleine Fenster
fährt des Alten Hellebarde.
Auf, Gesellen, fasst die Viper!
Soll zur Stunde noch die Hölle
schlucken was ihr lang gehört!
Wie der Springflut zorn`ge Wellen
stürzt es jetzo eisenklirrend
an die Wand der Hütte. Splitternd
bersten schon der Türe Bohlen,
und des Zorns gestaute Flut will
dräuend in die Hütte brechen.
Da – ein Stocken – ha , was zaudert
jeder Fuß? Was lähmt die Arme,
die der Rache Waffen tragen?
Dort die Wala - all ihr Götter,
ist es wirklich denn die Wala?
Hochgereckt den hagern Körper,
wie ein graues Steinbild steht sie.
Flammen sprühen ihre Augen,
und die wirren Ringelhaare –
sinds nicht kleine graue Schlangen,
die um Stirn und Schläfe züngeln?
In der ausgestreckten Rechten,
einer schwarzen Viper gleichend,
glänzt der Stab aus Ebenholz.
Halt, Verwegne, wollt ihr teilen
der Verlornen Schicksalslos?
Einen Schritt noch und auf ewig
seid gelöscht ihr aus dem Leben!
Vorwärts! gellt des Führers Stimme,
vorwärts, packt das Weib Gesellen!
Ha, was zaudern denn die Memmen?
Seid ihr feige Hunde worden?
Hildung springt, in wurfbereiter
Hand den Stahl, voran zur Schwelle.
Aber sieh, der Wala Rechte
führt den Stab in raschem Kreise
durch die Luft, und ihre schmalen
Lippen murmeln hast`ge Worte.
Drauf ein Lachen: Fahret wohl! - - -
Friedlich ruht der Wald, und leise
atmet in der grünen Stille
nur der Abendwind; in weichen
Liedern klagt die Nachtigall.
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Draußen bei dem Birkenwäldchen
hüten alte graue Pappeln
schlanke weiße Birkenkinder.
Dort wo der Ligusterhecke
hundert schwarze Äuglein glänzend
in die milden Tage blicken
und der Berberitze rote
Saftkorallen täuschend locken,
saß ich, in die Weite schauend
wanderfroh im gelben Laube.
Drüben zog der Strom in Ruhe
silbergrau die ew`ge Bahn.
Angelehnt am Stamm der Pappel
sah ich nah vorüberschreiten
- wars ein wacher Trug, ein Traum? –
schön und weinbekränzt den Herbst.
In der Hand die Hirtenflöte
gab so wehmutsüße Töne,
sang so sehnsuchtweiche Lieder.
Aus dem dürren Laube rauschten
unter seinen Wanderschuhen
die Akkorde auf, und spinnend
flog mit ihrem weißen Rädchen
durch die blaugetönten Lüfte
Spinnweiblein, das flockenleichte.
Fern vom Strom herüber kamen
wie aus fremder Welt gesandt
Schifferuf und Schaufelschlag.
Horch, da ging es seufzerleise
durch des Haines müde Blätter:
Nimm o nimm uns mit nach Thule,
heim nach Thuleland , o Herbst!
Thule, Thule riefs im Winde,
klangs ersterbend wie ein Klagen.
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Denk mein, solang die Lilien blühn!

(Nach der Melodie: Drei Lilien….)

Drei Lilien sollst du pflanzen,
drei Lilien auf mein Grab.
Und wenn die andern tanzen,
wein du an meinem Grab.
Gottes Wind geht über Berg und Tal,
und der Regen rinnet allzumal.
Und wenn die andern tanzen,
wein du an meinem Grab.

Und wenn die Lilien sprießen
auf meinem Grab so grün,
sollst du die Lilien gießen,
bis daß sie blühn.
Gottes Wind geht über Berg und Tal,
und der Regen rinnet allzumal.
Die Lilien sollst du gießen
bis daß sie blühn.

Und wenn die Lilien welken
und ganz verdorret sind,
leg noch ein Sträußchen Nelken
aufs Grab geschwind.
Gottes Wind geht über Berg und Tal,
trocknet Regentropfen allzumal
leg noch ein Sträußchen Nelken
aufs Grab geschwind.

Dann gehe mit den andern,
ein Röslein an der Brust,
wenn sie zur Linde wandern,
zu Tanz und Lust.
Gottes Wind geht über Berg und Tal,
und die Blümlein blühen allzumal.
Wenn sie zur Linde wandern,
zu Tanz und Lust.

Und ist mein Grab im Maien
von Blüten zugeschneit,
mag dich ein andrer freien,
herzliebe Maid.
Gottes Wind geht über Berg und Tal,
und die Blümlein blühen allzumal.
Mag dich ein andrer freien
herzliebe Maid.
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Der graue Krug - - auch Der Traum - Krug

Ich ging im Mondlicht auf der Heimat Flur,
als suchte ich nach einer lieben Spur.
Die weißen Birken standen nah und weit,
wie Traumgestalten meiner Jugendzeit.
Und leise ging im nächtlich tiefen Schweigen,
als träume sie, der Quelle Perlenreigen.
Mir war, auf einem Irrweg sei ich gangen,
was mußt` ich tun, Verlornes zu erlangen?
Was war es denn? Ein Stückchen froher Zeit?
Ein liebes Wort? Ein Fädchen Herzeleid?

Die blanken Sterne wurden mählich blasser
und heller sang und silberner das Wasser.
Der Krug- wie kam der Krug in meine Hand-?
Verwittert waren Linien, Run` und Rand.
Ich sah, aus grauer Vorzeit musst` er sein,
den Göttern einst geweiht in Baum und Stein?

Den grauen Krug füllt` ich am Heimatborn
und trug ihn zu dem Stein am Hagedorn.
Da sah ich sitzen auf dem Runenstein
den lang gestorbnen Ahn, und rings im Hain,
durch Dorn und Blätter, ging ein flüsternd Rauschen.
Wie alten Sagen schien der Greis zu lauschen.
Ich hatte ihn erkannt, im weißen Haar den Ahn,
des Hand mich führte auf der ersten Bahn
und dessen Mund mir einst in jungen Tagen
die Antwort gab auf tausend Kinderfragen.
Er sprach zu mir: Kommst du mir nachgeschritten?
Hast du am Leben auch, wie ich, gelitten?
Ich ließ mich nieder auf des Steines Rand
und sagte still, den Blick im nächt`gen Land:
Ich litt und liebte auch, was Gott mir gab.
Wir schwiegen lang. Da hob der Ahn den Stab,
und nach dem fahlen Rot am Himmelsrand
wies er und wies zum Krug, der vor mir stand:
Mich dürstet, gib vom Kruge mir, vom Quell!
Ich reichte ihm den Krug. Sein Blick ward hell
Und lange trank er. Wie ein kostbar Stück
reicht` er den alten Krug mir dann zurück:
Das schmeckte gut mein Enkelkind, hab Dank
für deinen heilig süßen Heimattrank.

Da sah ich staunend wie das Wasser schwoll
und wirbelnd stieg- dem grauen Krug entquoll
weit überschäumend, eine goldne Flut:
Es stieg der junge Tag in ros`ger Glut
aus dem geweihten Krug der Ewigkeit!
Sieh, sprach der Ahn, der Erde Glück und Leid
hältst du gemischt in deinen schwachen Händen.
Gemischt nur wird der Himmel beide spenden.
Wie aus dem Kruge steigt der goldne Tag,
so folgen Dunkel ihm und Stürme nach.
Doch aus dem Born der Heimat quellen allerzeit
die Kräfte dir, zu tragen Glück und Leid.
Es schwieg der Ahn. Ich wollte tastend greifen
nach meinem Krug und ließ die Blicke schweifen:
Fort war der Krug, und fort war auch der Ahn-!
Da krähte seinen Morgenruf der Hahn,
in Kissen faßte suchend meine Handich
war zurück aus weitem Traumesland.
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