Lotte Mühlborn

                                                                                                              

Ach, wer bist du, den wir ahnen!

Seele, ruhelose, wohin treibst du?
Wo im All, du unerforschte, bleibst du,
die kein Mensch in Ewigkeit errät?
Wissen Strom und Bach, wohin sie fließen?
Wolken , wo sie einmal sich vergießen ?
Weiß der Sturmwind es, wohin er eilig geht?

Traumhaft folgen wir dem großen Willen,
den wir ahnen, und der uns im Stillen
zu dem vorbestimmten Ziele weislich führt.
Selbst im Steine , wie Gelehrte melden,
kreist es wie von ungebornen Welten,
wie von einem fremden Hauche angeschürt.

Ach, wer bist du, der die lichten Tage
und die dunklen Nächte auf der Waage
seiner ewig gültigen Gesetze hält?
Der die Welten ihre sichren Kreise
ziehen heißt und dessen Odem leise
auch die zarte Frucht der kleinen Blüte schwellt?

Rätselwesen du, das Gott sie nennen,
gib dich mir im Traume zu erkennen!
Wache Sinne hieltens und Verstand nicht aus.
Antwort gib mir, Ewger, auf die Frage,
wo die Seele bleibt an jenem Tage,
da sie gehen wird aus ihrem engen Haus.
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Alte Mühle

Alte Mühle, meiner Väter Haus,
viele traten deine Schwelle aus.
Deine Mauern haben stumm gesehen,
wie Geschlechter kommen, blühen, gehen.

Könnt ich Rädern euch verstehend lauschen!
Stille Rede mit den Steinen lauschen,
die im Gang von aberhundert Jahren
meiner Ahnen Schirm und Heimstatt waren!

Boden meiner ersten zagen Schritte,
trugst auch ihre flücht`gen Erdentritte`.
Doch von ihrer Lust und ihrem Leid
weht kein Klang mir her aus grauer Zeit.

Die aus ihrem Blut in langer Kette
mir das Leben reichten und die Stätte
ihrer Heimat mir zu Lehen gaben,-
selbst, die Namen sind verweht, begraben.
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Am Bergquell rastend

Lauschend einer Silberquelle
die da sprang aus Felsgestein
rastet´ ich am Waldesrain.
Und ich sann zur kleinen Welle:

Liebes Brünnlein Gottesklar
friedlich gehst du deine Wege.
Ich muß gehn im Dorngehege
vieler Worte, falsch und wahr.

Doch wie du, so nehm ichs hin,
wie ein Gott es mir gegeben,
dankbar, daß mir auch daneben
Sonne scheint und Blumen blühn.
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Am Born der Stille

Einsamkeit, an deinem Borne,
deinem grünen rast ich jetzt.
Hab mich an verstecktem Dorne
draußen in der Welt verletzt.

An der Menschen lautem Orte
geht das Leid auch ein und aus.
Birgt sich in dem Kranz der Worte,
wie der Dorn im Rosenstrauß.

In der Stille nur ist Friede,
wo der Schöpfer leise spricht
und das Grillchen Gottes Güte
preist in langem Lobgedicht.
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Am Grab der Eltern

(Zum 50. Todestag der Mutter, 1902 – 1952)

Lange lange ist es her, o Mutter,
daß du von uns gingst am bittern Tag!
Wie ein dunkel Mal im Jugendgarten
ist die Stunde, da dein Auge brach.

Doch ein ferner lichtumwobner Schemen
standst du segnend über unsrer Bahn.
Leise mahntest du, wenn wir noch schwankten
und den schmalen Höhenweg nicht sahn.

Wenn man lieblos deine Kinder kränkte,
trugen sie ihr Leid, wenn alles schlief,
heimlich hin zu dir und fühlten tröstlich
deine liebe Nähe still und tief.

Denen du das Leben einmal schenktest
und so rein und gut es vorgelebt,
sieh, wir hielten sauber es in Händen,
blieb es doch von deinem Hauch umschwebt!

Von des Vaters ehrenstrengem Wesen
kamen Ehr und Eisen uns ins Blut.
Aufrecht gingen wir und fest in Stürmen,
wie ein rechter Lebenswandrer tut.

Und so bleibst du immer uns, mein Vater,
Vorbild frei und reifer Männlichkeit!
Mutter war das Licht auf warmen Wellen,
du der Anker unsrer Kinderzeit.

Und ihr sollt vergangen sein im Staube?
Nimmer glaube ich das dunkle Wort!
Denn solange eure Kinder atmen,
lebt auch ihr, geliebte Eltern fort.
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Am Grab der Eltern II.

( zum 50. Todestag der Mutter)

Lange ist es her, o Mutter
daß du von uns gingst am bittern Tag!
Wie ein dunkles Mal im Jugendgarten
ist die Stunde, da dein Auge brach.

Mutter, wie ein Licht auf warmen Wellen
standst du über unserm Kinderland.
Steuer war und Anker unserm Schifflein,
Vater, deine Liebe strenge Hand.
Und von euerm ehrenfesten Wesen
kamen Ehr und Eisen uns ins Blut.
Ungebeugt bestanden wir die Stürme,
wie ein rechter Lebenswandrer tut.

Staub sollt ihr geworden sein im Staube
Nimmer glaube ich das dunkle Wort!
Ach, ihr lebt in uns, und eure Stimme
klingt uns traut in Ohr und Seele fort.
1952
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Am Heimatborn

Du Quellchen im Wald bei der Mühle,
rinnst du noch immer wie einst?
Und plätschern in deiner Kühle
noch Kinderfüße - wie einst?

Die Kinderfüße von ehe,
die liefen schon lang in die Welt.
Erliefen sich Glück und Wehe,
viel Steine lagen im Feld.

Mein Quellchen, du gehst über Kiesel
und Wurzeln der Eiche dahin.
Stählte dein klares Geriesel
und Kindern Füße und Sinn?

Wir standen fest im Gewühle
der feindlich lockenden Welt.
So stärke in reiner Kühle
auch weiter den Kindern der Mühle
die Füße, daß keines fällt.
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Am Lebenspfad

Wandrer, sich am dorngesäumten Pfade
blühen Rosen auch, eh du`s gedacht!
Und es leuchten, mild wie Himmelsgnade,
Sterne dir im blauen Dom der Nacht.

Aber wie ein schöner Traum zerrinnt,
schon an eines Wortes jähem Klang,
blättert sich die Rose in den Wind -
und das laute Wort hallt nach so lang!
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Am Märchensee

Es liegt im Sagenwalde
ein rosenumdornter See.
Da wachsen am blumigen Grunde
die Märchen zu guter Stunde
und steigen singend zur Höh.

Am Ufer da sitzen lauschend
Poeten und fangen sie ein.
Trägt jeder sein Märchen von dannen,
heißt es die Flügel spannen
und flattern ins Blaue hinein.
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Vertont v. Aug.Wagner
Neustadt a.d. Haardt
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Am Schlüsselloch der Zeit

Mit dem Ohr am Schlüsselloch der Zeit
hör ichs klingen wie aus andrer Welt.
Jauchzt wie Jubel, klagt wie Kinderleid,
und die Rufe kommen ach so weit!
Fern dazu ein Mühlenglöcklein schellt.

Höre noch den Klatsch ins Wasserloch
und der Grete schreckenlauten Schrei.
Aber eh ich noch zum Rande kroch,
war sie bei mir: Schtill, du lebscht jo noch!
Wer wird heile, heit am erschte Mai!

Dort der graue Ganser - hält er nicht
noch den Zipfel eines Röckchens fest?
Ach, der Kinderschreck und Bösewicht
hielt es unbesehn für Ganserpflicht
seine Vier zu schützen und das Nest!

Bei dem Wäldchen überm Werderbach
seh ich, wie ein kleines Mädel steigt
in die Rabeneiche. Aber ach -
findet leer das Nest im grünen Dach!
Still der Wagemut von dannen schleicht.

Und den Vater seh ich mehlbestaubt
auf der Treppe an der Mühle stehn.
Kinder, sagt er, wer hätt das geglaubt!
Hat ein Hasenbub dieses Ei geraubt,
als er still beim Färben zugesehn?

Hats verloren dann am Straßenrand,
wie er Purzelbäume schlug im Gras.
Und er gibt es Mutter in die Hand:
Tue, wie du es für recht erkannt.
Mutter sagt: So gebe ichs dem Has.

Und ich höre, wie sie weiter spricht -,
nur ein braves Kind bekäm das Ei.
Jedes machte ein betrübt Gesicht.
Ach, die Osterhäsin braucht es nicht,
meint die Mutter dann und gibt es frei.

Ich vernehme, wie der Pluto bellt
nach dem bleichen runden Mondgesicht.
Wie der Fisch am Deich im Wasser schnellt
und ein Wisperregen niederfällt.
(Ob ich alt, ob jung - ich weiß es nicht.)

Und mein Sinnen geht so still und weit,
wie die Wolken über Land und Meer.
Findet Bilder noch vergangner Zeit.
Und was mit verging in Glück und Leid.
bleibt auf ewig ohne Wiederkehr.
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Da meine Hoffnung starb

Ein grauer Tag, so recht gemacht zum Scheiden,
so ganz erfüllt von ahnungsbangem Weh.
Ich starre düster in verhängte Weiten.
Wie schwere Tränen tropft es in den Klee.

Fahlnasse Blätter sinds, geweint von Bäumen,
die still und todesbang zum Himmel starren.
Da wars, daß ich mein Hoffen und mein Träumen
zu Grab getragen und mein treues Harren.
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Das alte Lied

Froh unter Fröhlichen weilt ich
im festlich geschmückten Raum.
Ich lauschte der seligen Geige.
Da – streift mich ein süßweher Traum?

Das Lied, das der Vater mich lehrte!
- Längst trugen sie ihn hinaus –
„ im schönsten Wiesengrunde
steht meiner Heimat Haus …“

Und einsam im Kreise der Freunde
bin ich mit einemal.
Durch Wände und nächtliche Räume
seh ich ein fernes Tal.

Da grüßen die Wälder und Hänge
sich über dem Mühlengrund.
Ich sehe die Laube im Garten,
am Wehre das Erlenrund.

Das Bächlein höre ich murmeln
und stürzen über das Rad,
im hohen Grase die Sensen
rauschen zur duftigen Mahd.

„Dich mein stilles Tal
grüß ich tausendmal!“

Klingt es im Herzen mir leise?
Singens die anderen laut?
Noch lange am offenen Fenster
hab ich ins Dunkel geschaut.
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Das dürre Sträußchen

Es war ein regenfeuchter grauer Tag,
als er davonging in die fremde Ferne.
Er ging im Trotz- und blieb nun doch so gerne!
Bleib, rief ihm auch vom Turm das Glöckchen nach.

Voll ungeweinter Tränen schien die Luft,
nur Kinder lachten, die am Wege tollten.
Die Türe schlug- ein Pfiff- die Räder rollten.
da traf ihn jäh ein zart-vertrauter Duft.

An seinem Hute hinterm grünen Band
fand er ein Sträußchen blauer Veilchen stecken.
O Gott, sie wuchsen bei den Rosenhecken
in Mutters Garten, wo das Bänklein stand!

Ein winzig Briefchen steckt im kleinen Strauß.
Von ungelenker Kinderhand geschrieben
stand da: Wärs du bei deinem Mäuschen bliben,
du liber Heini, kom doch bald nach Haus.

Verstohlen kämpft er gegen Tränen an
und drückt die Lippen in die liebe Spende.
Die Räder doch, die rollen ohne Ende.
O, Schwesterchen, hättst du es nicht getan!

Weit überm Meer in einer großen Stadt
fand sich im Nachlaß eines Stahlmagnaten,
des ehrenwerten Henry Schlosser- Straten,
ein braunes Kästchen, unscheinbar und glatt.

Drin lag bei einem dürren kleinen Strauß
ein Zettel, steil von Kinderhand beschrieben.
Man las: Wärs du bei deinem Mäuschen bliben,
du liber Heini, kom doch bald nach Haus.
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Das tote Haus

Abseits der Straße, unter grünbemoostem Dach
ein niedrig Haus mit halbzerfallnen Mauern.
Aus blinden Scheiben blickt ein stummes Trauern.
Unsagbar still sind Diele und Gemach.

Ein heimlich Rieseln geht im Raume nur,
ein Etwas, das vor Aug und Ohr sich hehle,
als ging des Hauses lang verstorbne Seele
noch traumhaft um auf grau verwehter Spur.

Hängt nicht ein Hauch von Leid, ein Klang von Glück
noch in den Winkeln, auf den morschen Stufen?
Wars nicht wie Kinderlachen? Wie ein fernes Rufen?
Blieb noch ein Sterbeseufzer hier zurück?

Kommt einsam wohl ein Wandrer hier vorbei,
dann greift nach ihm des Hauses trostlos Trauern
und flüstert heimlich: So wie meine Mauern
zerfällst auch du! - - Fern lacht ein Häherschrei.
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Der alte Brief

Vergilbt ein Brief, nach Jahren aufgefunden,
ein Klingen aus der Zeit „Es war einmal“.
Trägt er die Spur von Tränen und von Wunden?
Von Missverstehen, das er einst gefunden?
Von Heimatklängen aus geliebtem Tal?

Ein fremder Hauch steigt auf aus seinen Blättern,
wie Echoklänge aus versunkner Zeit.
Und leise geht ein Raunen in den Lettern
von einem Sommerglück und Wolkenwettern,
von Trauerklängen und vernarbtem Leid.

Und steil ein Gruß, von Kinderhand geschrieben,
wie eines Glöckleins heimatferner Klang.
„ Wärs du bei deinem liben Mäuschen bliben,
du liber Heini, ach was bleibs du lang!“
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Der gläserne Schrein

Wie im Traume war ich ausgegangen,
Stern- und Sonnenstunden einzufangen,
die ein Gott mir auf die Bahn gestreut.
Viele fand ich noch am Saum der Straße,
andre blinkten perlenschön im Grase,
aber gehen mußt ich ach so weit!

Hab den goldnen Schimmer heimgetragen
und verwahrt. Nun klingts an grauen Tagen
leise mir aus dem kristallnen Schrein:
Jede goldne Stunde will dich grüßen
und die bittern heimlich dir versüßen!
Soviel Schönes war ja einmal dein!

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Der Mutter Klage

Mein Kindlein hat mich verlassen,
ist gangen wohl weit aus der Welt;
spielt nimmer in sonnigen Gassen,
und nimmer im blumigen Feld.

Es blinzeln in Ewigkeit nimmer
die Schelmenaugen mich an;
nie durch der Locken Geflimmer
zieht meine Hand mehr die Bahn.

Das Trippeln der Füßchen, der leichten,
hört nimmer das lauschende Haus:
die blühroten Lippen verbleichten,
erstarrten am kältenden Graus.

Ach, einmal noch möchte ich pressen
mein herziges Kind an die Brust!
Nur einmal ein selig Vergessen
mir trinken in Küssen voll Lust!

Ich möchte die Länder durchwandern,
durch Strassen und Märkte gehn
und fragen die einen, die andern:
Hat keiner mein Kindlein gesehn?
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Der Seele Wanderzeit

Wenn in dunkle Falten sich der Tag geschmiegt
und die Nacht verhalten auf der Erde liegt,
ist für meine Seele schönste Wanderzeit.
Nichts mehr, das sich hehle ihr im Schattenkleid!

Auf beschwingten Füßen, weit von Ort zu Ort,
kann sie alle grüßen, die ihr gingen fort.
An geliebter Schwelle weilt sie heimatfroh,
sucht der Jugend helle Stunden irgendwo.

Lauscht verwehter Worte ach so trautem Klang,
an verschlossner Pforte frohem Kindersang.
Heimgekehrt und müde sinkt die Seele dann,
schlafgeschloßne Blüte, in der Träume Bann.
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Der Traum - Krug - - auch der graue Krug

Ich ging im Mondlicht auf der Heimatflur,
als suchte ich nach einer lieben Spur.
Die weißen Birken standen nah und weit,
wie Traumgestalten meiner Jugendzeit.

Und leise ging im nächtlichen tiefen Schweigen.
als träume sie, der Quelle Perlenreigen.
Mir war, auf einem Irrweg sei ich gangen,
was mußt ich tun, Verlornes zu erlangen
Was war es denn, ein Stückchen froher Zeit?
Ein liebes Wort? Ein Fädchen Herzeleid?

Die blanken Sterne wurden mählich blasser,
und heller sang und silberner das Wasser.
Der Krug - wie kam der Krug in meine Hand?
Verwittert waren Linien, Run`und Rand.
Ich sah, aus grauer Vorzeit mußt`er sein,
den Göttern einst geweiht in Baum und Stein? -

Den grauen Krug füllt ich am Heimatborn
und trug ihn zu dem Stein am Hagedorn.
Da sah ich sitzen auf dem Runenstein
den lang verstorbenen Ahn, und rings im Hain,
durch Dorn und Blätter, ging ein flüsternd`Rauschen.
Wie alten Sagen schien der Greis zu lauschen.
Es war im weißen Haar der liebe Ahn,
des Hand mich führte auf der ersten Bahn
und dessen Mund mir einst in jungen Tagen
die Antwort gab auf tausend Kinderfragen.
Er sprach zu mir: Kommst du mir nachgeschritten?
Hast du am Leben auch, wie ich gelitten?
Ich ließ mich nieder auf des Steines Rand
und sagte still, den Blick im nächtgen Land:
Ich litt - und liebte auch was Gott mir gab.
Wir schwiegen lang. Da hob der Ahn den Stab,
und nach dem fahlen Rot am Himmelsrand
wies er und wies zum Krug, der vor mir stand:
Mich dürstet, gib vom Kruge mir, vom Quell!
Ich reichte ihm den Krug. Sein Blick ward hell,
und lange trank er. Wie ein kostbar Stück
reicht`er den alten Krug mir dann zurück:
Das schmeckte gut, mein Enkelkind, hab Dank
für deinen heilig süßen Heimattrank!
Da sah ich staunend, wie das Wasser schwoll
und wirbelnd stieg - dem grauen Krug entquoll
weit überschäumend, eine goldne Flut:
Es stieg der junge Tag in ros`ger Glut
aus dem geweihten Krug der Ewigkeit!
Sieh, sprach der Ahn, der Erde Glück und Leid
hältst du gemischt in deinen schwachen Händen.
Gemischt nur wird der Himmel beide spenden.
Wie aus dem Kruge steigt der goldne Tag,
so folgen Dunkel ihm und Stürme nach.
Doch aus dem Born der Heimat allerzeit
quillt dir die Kraft, zu tragen Glück und Leid.
Es schwieg der Ahn. Ich wollte tastend greifen
nach meinem Krug und ließ die Blicke schweifen:
Fort war der Krug, und fort auch war der Ahn - !
Da krähte seinen Morgenruf der Hahn!
In Kissen fasste suchend meine Hand -
ich war zurück aus weitem Traumesland.
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Die Kinderlosen

Gelbe Rosen im Glas von lichtem Blau,
zwei Mokkatassen auf weißem Gedeck.
Ein Zeitungsrascheln. Daneben die Frau
blickt still über Tisch und Terrasse
ins Weite hinweg.

Weiß ragt wo ein Haus unterm Schieferdach
Aus efeuumwachsener Bäume Grün.
Die Anfahrt hinauf beim Forellenbach
sieht Wagen um Wagen sie festlich
im Morgenwind ziehn.

Fern hinter vielen Jahren ein Tag
in Rosen und Myrthen. Ein Orgelgebraus
nach dem Segen, den weihend ein Priester sprach.
Sie schließt die Augen – ein Segen,
ein süßer blieb aus!

Wo weilst du, Liebste? Des Mannes Hand
schiebt ihr das lockere braune Haar
sacht unters goldgewobene Band.
Mit dir in der Heimat, Ortwin,
am Traualtar.

Ein Sessel ruckt jäh auf glattbuntem Stein:
Der siebte? Fest legt sich ein Männerarm
ihr um die Schulter. Sie lächelt fein:
Vergessen? Und weiter spricht sie
in dunkelem Harm:

Der Freundin auch gedacht ich, vor allen mir lieb,
der gleiche Sommertag sah uns als Braut.
Und weißt du, was sie grad heute mir schrieb?
Verhalten sagt sie`s als würde
ein Schlafendes laut.

Sie schrieb mir, daß sie in Hangen und Schmerz –
kaum, daß sie von eiliger Reise kameine
Stunde durchbangt und voll Glück dann ans Herz
ein süßes Bübchen, ihr erstes
Enkelkind nahm!

Wie Seufzen geht es im Birkenbaum.
Zwei Menschen sehen still in den Tag.
Die Dogge Wanda nur winselt im Traum.
Grad heute! Ein zuckender Frauenmund
flüstert es zag.
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Die Leuchtfontäne

Ruhsam blicke ich, entspannt und heiter
in des Wasserspieles Wunderschau,
drin der Brunnen seine Perlenschleuder
aus dem Wesenlosen zielt ins Blau.
Auf und nieder, glanzgewordne Töne,
geht das Reigenspiel in holder Schöne,
Regenbogentraum aus buntem Tau.

Ungezählte Tropfenperlen eilen
machtvoll drängend in das Gold des Lichts,
wo sie auf Sekunden sich verweilen
und zurück dann fallen in das Nichts.
Die zum Himmel streben und sich necken
schwinden wieder in ihr dunkles Becken,
in die Einsamkeiten des Verzichts.

Märchenbronn in deiner Überfülle,
Bild des Lebens bist du, bunt und schön.
Deine Perlen treibt ein fremder Wille,
heißt sie leuchtend kommen und vergehn.
Heimwärts wandernd höre ich im Sinnen
ferner Jahre Stundenperlen rinnen
und ins Dunkel allsogleich verwehn.
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Die Mühle in der Mondnacht

Wie so fromm die blaue Mondnacht ruht!
Gibt es Lärm noch in der Welt und Qual?
Wie in stiller wohlgeborgner Hut
schläft der Bergwald, ruht das Wiesental.
Nur des Tälchens kleine Plaudertasche,
das verspielte Bächlein, schlummert nicht.
Läuft zur Mühle hin und weckt das rasche
Räderwerk, das nun die Stille bricht.

Hat der Müller doch die Schleusenkette
hochgekurbelt, und das Wasser sprang.
Ruhsam lauscht er nun in seinem Bette
auf der Räder liebgewohnten Gang.

Und der Mond auf seiner stillen Reise
wirft in eine Stube zartes Licht,
wo die Müllerin dem Kindchen leise
scheucht mit zartem Sang ein Traumgesicht.
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Die Windenranke

Beim Räumen in dem blauen Kinderschranke
fand ich ein Bubenhütlein, keck besteckt
mit langer Feder und mit einer Ranke,
dran noch ein Blümlein dürr das Köpfchen reckt.

Die Winde, stummer Gruß aus Sommertagen,
so dürr und schmal, vier Blättchen oder drei
hob süß ein Klingen an, von Duft getragen
wie Lerchenschlag im blütenreichen Mai.

Mir vor den Ohren wars wie Vogelsingen,
wie Waldesrauschen und Schalmeieinklang.
Die Bächlein hört ich von den Höhen springen,
den Kuckuck rufen tal - und waldentlang.

Und warme Sommerwinde fühlt ich kosen
mir ums Gesicht, voll reifer Wiesen Duft
und einen leisen Ruch nach wilden Rosen.
ein Falter wirbelte in blauer Luft.

Und hinterdrein das grüne Hütlein jagte -
mit Ackerwinde hatte ichs geschmückt -
ein keckfrisch Büblein drunter, das mich fragte
Sag, Mutter, ob der Smetterling wohl swickt?

Ich lege lächelnd in die Lade wieder
zurück den sommergruß - geschmückten Hut.
Und meine Lippen summen Frühlingslieder,
indes der Schnee auf allen Dächern ruht.
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Doch den Ruf den hört ich nicht

Kurz auf eine Zeit ins Gotteslicht
hob mich eine unbegriffne Hand:
Lebe, wirke und vergeh im Sand!
Doch den Ruf, den stummen, hört ich nicht.

Und so tat ich, wie Verschwender tun,
mit der knappen gottgeschenkten Zeit.
Einsam werd ich gehen, endlos weit,
um in Gottes Ewigkeit zu ruhn.
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Ein Rößlein hörte ich traben …..

Lied im Volkston Ein Lied aus vergangenen Zeiten,
das hat mich in Trauern gebracht.
Von Lieben singt es und Scheiden.
Einem Reiter wohl hörte ich reiten
vorüber in träumender Nacht.

Zwei Menschen die Hände sich gaben,
die waren in Reue sich nah.
Ein Rößlein hörte ich traben.
Im Ellerbaum riefen die Raben:
bleib da, o Reiter, bleib da!

Zwei rote Röslein verdorrten
in südlicher Sonne Glut.
Ein Mädchen, das weinte im Norden,
das war so traurig geworden - .
Es war ja dem Reiter so gut!
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Einen Huf hört ich die Erde schlagen

Immer einmal hält der schwarze Wagen
in des Dorfes Gassen, da und dort.
Einen Huf hört ich die Erde schlagen
Wie ein Pochen: Öffne dich, du Port!

Wird das nächstemal der Wagen stehen
mit den Rappen mir an Haus und Tor?
Ewig ist nur Werden- und- Vergehen,
und der Mensch ein Hauch im Schöpfungschor.

Streift die Seele ab das Kleid der Erde,
wie ein Fuß den wegbestaubten Schuh,
schwingt sich- Gott nur weiß es- die verklärte
einer unbekannten Heimat zu.
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Einer trauernden Mutter

Du trauernde Mutter, wohl nimmer
magst du vergessen dein Kind.
Doch wisse: Es blühte im Schimmer
des Morgens ein Knösplein im Wind.
Das war so lieblich zu sehen,
so taufrisch, so duftig und fein.
Da sprach im Vorübergehen
der Herr des Gartens: Bist mein,
hold Röslein am Strauche, zu schade
bist du für Regen und Wind.
Komm, schmücke mein Zimmer! Er nahte
ihm freundlich und brach es geschwind.

So lud auch dein Kindlein zum Himmel
Gottvater in sichere Hut.
Für staubiger Straßen Getümmel
dünkt ihm das Röslein zu gut.
Dort mag deine Seele es suchen,
die müd sich geflattert im Schmerz.
Dort legt dirs am ewigen Tage
Gottvater einst wieder ans Herz.
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Erster Liebe Jahresring

Ahnende Lenzwinde laufen
singend ums schlafende Haus.
Das Mädchen lauscht träumend hinaus
auf klingende Tropfen aus Traufen.

Rosen und Nachtigallieder
nächtlich in traumhaftem Licht.
Sie schreibt ihr erstes Gedicht,
von Mondschein und Liebe und Flieder.

Die Herbstnacht hüllt sich tarnend
Ins nebelgewobene Tuch.
Sie weiß einen alten Spruch,
von Scheiden kündet er warnend.

Eiskalt und klar ist die Nacht
und die Erde liegt tief unterm Schnee.
Da hat ein Mädel in stumpfem Weh
einer toten Liebe gedacht.
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„Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht..“

So schön warst du im reichen dunkeln Haare
und deiner Wangen zartem Rosenschein.
Leicht ging dein Fuß, den Abgrund sahst du nicht,
unschuldig- schuldig stürztest du hinein!

Verzweiflung hieß dich drauf ins Dunkel gehen,
ins ew`ge Dunkel ohne Weg und Wahl!
Und ER, zu dem du gläubig beten lerntest,
vernahm er nicht dein Flehn aus tiefer Qual?

Nun wardst du stille, ohne Spruch und Huld!
Und fromme Menschen kreuzen sich und beten:
Herr, vergib der Seele ihre Schuld!
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Ewig blüht im Lenz der Flieder

Einsam gehen über tausend Berge
die Gedanken still und unerkannt.
Wiegen stehn an ihrem Weg und Särge,
hoch im Blauen jubelt eine Lerche -
Alles einmal deckt der Weltensand!

Bald verwehn im Winde Leid und Lieder,
und kein Fuß bleibt stehn und keine Spur.
Ewig aber blüht im Lenz der Flieder!
Ewig wie der Sonne Auf - und - nieder
ist das Werden und Vergehen nur.
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Gehe hin und bitte ab!

Hast du ein Unrecht irgendwem getan,
ein rasches Wort, ein hartes ihm gesagt,
so krähts vielleicht des Nachbars alter Hahn
dir schon ins Ohr, wenn kaum der Morgen tagt.

Hörst auch des Vogels Lied im Mittagslicht:
Kurz ist der Tag und lang die dunkle Nacht!
Tu, was zu tun dir bleibt, und säume nicht,
leicht kommt die Katze, ehe man's gedacht!

Ruft nicht das Abendglöcklein dir im Wind:
Geh, bitte ab, des Andern Seele weint!
Du aber schweigst wie ein verstocktes Kind,
-und grämst dich doch und bist dir selber Feind.
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Heimgedenken

Bleibt, Gedanken, laßt den Mühlendeich!
Liegt ja doch in lang versunknem Reich!
Ach, nun fliegen sie zum Waldeshang,
wo der Goldpirol im Laube sang
und des Taubers Ruf ins Tälchen fiel!
Dort im Grunde finden sie ihr Ziel!

In der lieben alten Mühle sehen
fremde Menschen sie geschäftig gehen,
und es trauert über Tür und Tal
unsichtbar das Wort: Es war einmal!
Doch wie fernes feingestimmtes Klingen
scheint Vergangnes Grüße mir zu bringen.

Hör ich doch am Deich im Sturmeswehen
noch die Pappelharfe rieselnd gehen
zu der Räder trautgewohntem Spiel.
Und das Bächlein weiß der Grüße viel!
Ob der Wassermann im Wellenschaume
hinterm Reff im dunklen Höhlenraume
immer noch auf kleine Kinder lauert?
Ob sein Nest am Stallgebälke mauert
noch das zwitscherfrohe Schwalbenpaar?
Und ob wieder eine Kinderschar
hinterm Hause spielt im Wiesenstück?
O, Gedanken, eilt mir doch zurück!
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Hinterm Glasberg liegt ein Haus

Auf dem Zeitenrade schwang ich einst hinaus,
fand im Weltenraum ein liebes altes Haus,
drin ein Magdgesang in den Winkeln hing
und das Mühlenglöckchen silbern ging.

Wurzel schlug ich tief im lieben Haus.
Wieder warf das Schwungrad mich hinaus,
trieb der Weltwind mich zu anderm Ort,
ließ mich wurzeln, trieb mich weiter fort.

Lieb und Leides viel der langen Fahrt
blieb als Echo meinem Ohr bewahrt,
doch am reinsten jener frühe Sang
und im Räderspiel des Glöckleins Klang.

War ja, was ich dämmernd eingetrunken,
still auf unberührten Grund gesunken-
Fern, wie hinterm Glasberg, liegt ein Haus,
ging vor tausend Jahren dort hinaus.
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Hoffnungslos

Hoffnungslos – du Wort der Trauer,
Siegel einer dumpfen Qual!
Wort wie eine dunkle Mauer
vor dem Lichte! Ohne Zahl
sind die Tränen, die entquellen
deinem leidgefüllten Born!
Hieß ein Spruch dich, abzuschnellen
deinen schmerzgetränkten Dorn?
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In schlafloser Nacht

Es schmerzen gleich Wunden
die heimlich verhehlten
unselig beseelten
auf ewig versäumten Stunden!

Im Pendelschlage
aus tief-dunklem Schachte
vernimmt die erwachte
Seele das Tropfen der Tage.

Woher sie auch kamen,
aus Leid oder Liebe,
kein Tag der da bliebe!
Sie gehen in Schöpfers ewigem Namen.
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Mag das Bäumlein eines Pfeiles klagen - ?

Über meinen lang verklungnen Tagen
hängt ein leiser Ton wie stilles Klagen.
Ruft mich das Versäumte heimlich an?
Klagt ein Gutes, das ich nicht getan?
Oder trauert mir ein liebes Wort
ungesprochen an verstecktem Ort?

Ach das böse hat wohl Flaum und Flügel,
findet sicher über Tal und Hügel !
Haftet wie ein Pfeil aus rascher Hand,
der sein Ziel im Maienwalde fand.
Tuts dem Bäumlein weh und wird es klagen - ?
(Könnte man das Bäumlein doch befragen!)
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Menetekel

Noch grünt der schmale Garten um die Kirche,
den meine Hand so freudig einst gepflegt.
Goldregen tropft vom Baume noch beim Tore,
wo sich der Schneeball auf die Mauer legt.

Noch steht der Feuerdorn in roten Flammen,
Jasmin lässt seine Blüten schnei`n in Ruh.
Doch grüne Wildnis wuchert über Beeten
und deckt den Kies der schmalen Wege zu.

Durch Gras und Ranken suchen meine Füße
den Efeuwinkel, wo die Laube stand.
Den Steintisch finde ich; schief hängt die Platte,
auf der ich einst den Kindern Kränzlein band.

Das morsche Gitterwerk im Rosendorne,
dahinter noch das Restchen Gartenbank,
sind Gleichnis mir von Scheiden und Vergehen,
sind wie ein schaler Rest von süßem Trank.

Ihr frohen Stunden meiner jungen Tage,
ihr grüßt mich wie aus fernen Welten her!
Ein Menetekel fand ich unter Blüten,
da ward mein heimatfrohes Herz mir schwer.
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Morgendank

O du kühle geruhsame Nacht, wie hast du die Kräfte mir wiedergebracht!
Ich ruhte in deiner stilldunkeln Wiege,
als ob ich in Mutterarmen liege.
Nun pocht der strahlenumwobene Tag
an meine Scheiben mit silbernem Schlag.
Vor seinen Frühwinden rafftest du
die Schleier hinweg in gelassener Ruh,
die du gebreitet, glättend und kühl,
auf heißer Unrast wirres Gewühl.
Die Schleier, gewebt aus Unendlichkeit
und göttlicher Liebe, sie reichen so weit!
Sie hüllten, die leichten, so weich und fein
das müde verwundete Leben ein.
Verjüngt und frisch ist nun alles erwacht.
Hab Dank, du liebe heilgütige Nacht!
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Nach Jahren

Zerbrochen ist und dornenüberwachsen
das Gitterwerk. Morsch ist die runde Bank,
wo ich der kleinen Schar auf grünen Blättern
die Himbeerhäuflein bot zu frohem Dank.
Ein Menetekel mitten unter Blüten,
die schöne Laube einst! - Mir wird es schwer -.
Ihr frohen Stunden meiner jungen Tage,
was ruft ihr auch aus fernen Gräbern her!
2. Fassung Eßweiler 1920
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Nocturno

Eine Stimme rief, da ich nächtens lag und schlief:
Deine blau- und grauen Tage schreiten
aus der Nacht , um in die Nacht zu gleiten.
Eine Schlange, ewig aus dem Dunkel kriechend,
ewig sich ins Dunkel biegend,
zehrt der Tag an deinem Lebensmark.
Drum beeile dich, tu deine Pflicht allzeit,
Wandrer auf dem Weg zur Ewigkeit.
Sei gut! Sei froh und stark!
Jäh erschrocken bin ich aufgewacht.
Sag, wer bist du, Rufer in der Nacht?
Mahner, der an meinem Lager stand?
Lautlos ihre Sternenfahne hissend
hüllte schweigend sich die Nacht und wissend
in ihr dunkles Florgewand.

Lange sann ich jener Stimme nach.
Grau ins Fenster sah der neue Tag.
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Reiches Leben

Leben, kunterbuntes Ding!
Fesselwunder Schmetterling,
flügelfrohes Treuversprechen,
dornenreiches Blumenbrechen,
wundes Lachen, Spiel mit Tränen,
Irregehn und Sicherwähnen,
wirres Lied und waches Träumen,
Untergrund und Überschäumen,
heilger Ernst in bunter Hülle -
so in deiner Überfülle,
reiches Leben, lieb ich dich!
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Rückschau

(Am Tag der goldenen Hochzeit)

Blick ich den Weg zurück, den Wanderweg so weit,
den flink mein Fuß und müde endlich ging,
so schließen Wanderziele sich wie Ring an Ring,
die Kette, dran ein Menschenschicksal hing,
und ihre Glieder waren Kampf- und Glück- und Leid.

Ich wanderte in Tiefen, schritt auf Höh`n.
Und wie ein Echo, das im Walde schlief,
dornröschengleich und ach so zeitentief,
ist mir, als ob Vergangnes leise rief.
Wie war das Wandern in der Morgenfrühe schön!

Die Steine auch, für die der Weg mir sorgte,
ich sah sie liegen in dem Staub der Bahn.
Doch oftmals stieß mein rascher Fuß daran,
wenn ich ins Blaue sah in frohem Wahn
und auf den Finkenschlag zu Häupten horchte.

Der Blümlein viele blühten mir am Wege,
darunter Tausendschön und Ehrenpreis.
Mir blühten Rosen, rot und gelb und weiß,
doch blaß ein Blümlein fand sich auch im Kreis,
hieß Herzeleid, ich sah es allerwege.

Hart war und heiß die Straße, still und kühl
der Pfad im Grünen, den ich heimlich ging.
Ob sengend über mir die Sonne hing,
ob Waldesschatten heilend mich umfinges
führt ein jeder Weg zum Ruheziel.
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Samtschwarze Nacht

Samtschwarze schwere Mitternacht.
Kein Leben pocht, kein Sternlein wacht.
Mit irrem Flügelschlage sucht
die Seele, von des Schweigens Wucht
bedrängt, nach eines Ufers Rand.
Verweilt sie noch im Erdenland?
Schwebt sie, erlöst, in Ewigkeiten,
in einsam grenzenlosen Weiten?
Sucht ängstlich flatternd sie im All
nach lang gewohnter Stimme Schall?

Da hebt mit tröstlich weichem Klang
im ruhvoll gleichen Stundengang
die Wanduhr draußen an zu schlagen.
O trauter Klang aus Erdentagen!
Du Licht am Strand! Wegsicher schwingt
die Seele sich an Land und sinkt,
ein heimgekehrter Wandrer, sacht
ans Herz der mütterlichen Nacht.
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Späte Heimkehr

Das Wasser ist tief und die Welt ist weit,
er konnte nicht kommen, ward alt.
Das Heimweh nagte. Nur einmal noch sehn
das Haus, wo die Mutter ihn lehrte gehn,
das Dörfchen und Anger am Wald.

Und wie er dann geht am Anger den Weg,
im Herzen Wehmut und Freude,
da grüßt ihn vom grauen Kirchlein am Hang
- als gäben die Toten ihm Stimme und Klang –
des Dörfleins dünnes Geläute.

Du Glöcklein der Heimat, so schlicht und so traut
wie du klingt keins in der Runde!
Er wischt eine Träne mit bebender Hand.
Vor tausenden hätt` er das Glöcklein erkannt,
ihm klang ja sein Echo im Grunde.

Das Vaterhaus fand er, es duckt sich wie einst
noch traulich unter die Linde.
Die Blumen der Mutter aber sind fort,
die bunten Kasten am Fensterbord
und das blaue Glockengewinde.

Kein liebes Gesicht blickt fragend heraus,
kein Jubel wird laut und kein Hasten.
Man tritt herzu mit gelassenem Fuß,
kühlfreundlich bietet man Handschlag und Gruß
und holt das Brot aus dem Kasten.

Und Gräber, grasüberwachsen, bemoost,
sie flüstern in heimlicher Trauer:
Was kamst du nicht eher, nun ist es zu spät!
Ihm geht durch den Sinn ein vergessen Gebet.
Stumm lehnt er und müd an der Mauer.

Zum andernmal geht er. Die Heimat summt
gleichmütig die alte Weise.
Sie werkt und feiert und müht sich um Lohn,
was kümmert sie der entfremdete Sohn!
Fahr wohl, Alter ! Glück auf die Reise!
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Stille Stunde

Wenn in Sonntagmittagsstille
Heimchen geigt
und der lautgeschäft`ge Alltag
ruht und schweigt,
dehnt die Seele ihre Schwingen
weich und weit,
überbrückt in stillem Fluge
Raum und Zeit,
pocht an zugefallner Pforte
sehnend an.
Ist kein Schlüssel, der das Tor mir
öffnen kann?
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Traumland

War der Morgen deines Lebens golden,
strahlt sein Glanz dir noch den Abend an.
Aber Regen kamen, Wetter grollten –
Heimlich sahst du einen Wiesenplan.

Und die Seele floh zur stillen Wiese,
lehnt` ans weiße Wunderbäumchen sich:
Liebes Bäumchen, schüttel dich und gieße
doch dein Gold als Mantel über mich!

Schwieg einmal das Traumland wie in Trauer,
ging die Seele einsam wieder fort.
Nur das Schloß noch in geborstner Mauer
klirrte leis wie heimlich segnend Wort.
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Tropfenfall

Dämmernacht. Ein stiller Regen
raunt verhehlt vor meinem Fenster.
Ist es nicht, als ob Gespenster
gingen auf den Gartenwegen?

Und wie einer trauten Sage
lausche ich dem leisen Klopfen:
Stundenschlag und stilles Tropfen-
Gleichnis meiner Erdentage!

Von des Schöpfers Perlenkette
rannen meine Tage nieder,
waren Leid und waren Lieder;
schlafen tief im Zeitenbette....
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…. und die frohen Lieder werden stumm

Meine Seele wandert um und um,
wie ein heimatlos gewordnes Blatt.
Sah sich längst an allen Schönem satt,
und die frohen Lieder wurden stumm.

Ach, was soll das Trauern, Seele, du!
Steht ein Punkt ja hinter jedem Satz!
Keine Wolke bleibt an ihrem Platz,
und kein Ton ruft dir " Verweile!" zu.

Nur das Gute, das du still getan,
bleib als Klang dir je und je zurück.
War dir selber unbewusst ein Glück
auf der dorngesäumten Lebensbahn.
8.7.1960
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Unvergessenes Kinderland

Du mein sorglos frohes Kinderland,
allzu bald nur warst du mir entschwunden!
Wie ein Schwalbenflug, ein Spiel im Sand,
wie ein bunter Falter aus der Hand.
Nur ein Nachhall blieb mir noch der Stunden!

Und im Echo klingt es leise nach,
wie von alter wehmutsschöner Sage,
die von Lerchenlied am Himmel sprach
und von Kinderspiel im grünen Hag.
Sie verklang alsbald in stummer Klage.
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Vermächtnis

Meine Kinder, ich werde nicht von euch gehn.
Ich werde als Hauch euch leise umwehn,
euer Tun behütend mit heimlichem Rat.
Ihr müsst nur lauschen! Auf wirrem Pfad
will ich euch führen den rechten Gang.
So folget, wie fernem Echoklang,
den Worten, die euch zu führen vermocht,
als noch mein Herzblut für euch gepocht!
Ich werde euch segnen bei gutem Tun,
vor schlimmem euch warnen und nimmer ruhn.
Und geht ihr des Glückes vergessliche Bahn -
In wartender Liebe will ich euch nahn.
Im Leide will ich euch tröstend umwehn -
meine Kinder, ich werde nicht von euch gehen!
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Verweht- begraben!

Alte Mühle, meiner Väter Haus,
viele traten deine Schwelle aus!
Deine Mauern haben stumm gesehen,
wie Geschlechter kommen – blühen – gehen.

Könnt ich, Rädern, euch verstehend lauschen!
Stille Rede mit den Steinen tauschen,
die im Gang von aberhundert Jahren
meinen Ahnen Schirm und Heimstatt waren!

Boden meiner ersten zagen Schritte,
trugst auch ihre flücht`gen Erdentritte.
Doch von ihrem Glück und ihrem Leid
weht kein Hauch mir her aus grauer Zeit!

Die aus ihrem Blut in langer Kette
mir das Leben reichten und die Stätte
ihrer Heimat mir zum Leben gabenselbst
die Namen sind verweht- begraben!
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„…..was mein einst war"

Ich ging im hellgeblümten Kleid,
am Arm den Sommerhut.
Mein Büblein führt ich an der Hand,
und mit dem lieben Unverstand
scherzt ich, wie man als Mutter tut.

Und alle Schätze reichten mir
die Kinderhändchen dar.
Der Kiesel auserlesne Pracht,
ein Käferlein, von Gold gemacht,
und Blumensterne für mein Haar.

Das müde Büblein auf dem Arm
schritt ich am Wiesenquell.
Das kleine Mäulchen koste mich,
„und wenn ich droß bin, trag ich dich“.
Die Lerchen sangen froh und hell.

Es ging die Zeit, wir gingen mit.
Nun gehe ich allein.
Mein Kind, mir friedlich fortgewandt,
führt selbst ein Büblein an der Hand
und hälts für unverlierbar sein.
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Weit dahinten

Es schimmert weit dahinten
ein sonnengoldner Strand,
und Stimmen wehn herüber,
die ich einmal gekannt.

Im elterlichen Neste
fünf frohe Kinderlein,
sorglos wie junge Vögel
im Morgensonnenschein.

Die Mutter nannt` uns scherzend
die Finger ihrer Hand:
der Bruder war der Daumen,
stolz hatt` ers anerkannt.

Du Schifflein meiner Jugend,
wie trieb dein rascher Kiel
aufs offne Meer des Lebens
mich fort vom Kinderspiel!

Zwei Gräber Seit an Seite
- ein grün Erinnerungsblatt -
sind alles, was die Heimat
mir noch bewahret hat.
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Weltentronnen

Des Tages Unrast bin ich heut entronnen
und finde mich in eines Domes Ruh.
Fern weiß ich noch um Lärm an lauten Bronnen
als schlug sich hinter mir ein Türlein zu.

Im Buchendom, im weiten, andachtstillen
seh ich des Bauherrn Walten, groß und gut.
In Dach und Säule seinen weisen Willen,
im grünen Wieglein, drin die Buchel ruht.

Und meiner Seele wachsen weiße Schwingen.
Ich bin allein auf einem andern Stern.
Bin schwerelos und ahne in den Dingen
den unergründlich-gottgefügten Kern.

Da senden ringsum in den Abendfrieden
die Bauerndörfer ihre Glocken aus.
Sie rufen ihre Kinder heim, die müden.
Sie rufen auch dem Träumer: Komm nachhaus!
18.10.1956
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Wie einst

In der Heimat möchte ich wieder
singen meine Kinderlieder.
Möcht im Walde Hütten bauen,
Vögeln in die Nester schauen
und auf schwankem Ast mich wiegen.
Möcht in Gras und Blumen liegen
bei des Mühlenwehres Schäumen
und in blaue Himmel träumen,
wo sich Wolkenschäfchen necken
mit Verwandeln und Verstecken.
Möchte in Bruders Hasenställchen
über graue Seidenbällchen
zärtlich mit dem Finger streichen,
Mutters Schnitzen stumm beschleichen
und zum Walde mit den andern
in die süßen Beeren wandern.
Möcht im Bächlein platschend gehen
und die flinken Fischlein sehen.
Und am Abend sollten wieder
Mutterhände, Mutterlieder
liebreich mich zur Ruhe bringen,
wenn im Tal die Glöcklein klingen
und zum Stalle ziehn die Herden.
O du schönstes Los auf Erden,
unter Kindern froh und klein
Kind im Elternhause sein!
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Wie lange noch - ?

Es steht ein Birkchen grün und weiß
vor meiner Tür im Rasen.
Ist lieblich über Maßen!
Hat Blättlein viele, spielen leis
im warmen Sommerwinde.
Der kost um sie so linde.
Ist drin ein heimlich Mahnen doch:
Wie lange noch?

Steht blütenvoll mein Lebensbaum,
wuchs wohl aus gutem Grunde.
Und meine Seele freuet sich:
Mein reiches Glück, ich halte dich
zu all und jeder Stunde!
Und weht mir zu aus blauem Raum,
verstanden kaum,
wie ferner Ruf ein Ahnen doch:
Wie lange noch?
1920
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Wo Pappeln stehn und Weiden….

Zur Heimat ist mir worden
das fremde Haus.
Doch denk ich allerorten,
in Süden oder Norden,
ans traute Vaterhaus.

Und wird die Seele scheiden
vom liebgewordnen Dach,
sucht sie aus frohen Zeiten,
wo Pappeln stehn und Weiden
das Haus an Deich und Bach.
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