Klingender Traum
Ein nächtig dunkles Meer. Auf weiter Flut
kein Mast, kein Wimpel. Still und träumend ruht
die müdgetanzte See, ein Friedenshafen.
Die Winde selbst, die ew`gen Wandrer schlafen.
Da leuchtet, wo das Meer den Himmel stützt,
ein Funke auf! Der wächst, und gleißend blitzt
ein Silberpfeil auf schwarzen Wasserbreiten.
Ein Schifflein seh ich langsam näher gleiten.
Das strahlet hell und schimmernd in die Nacht,
als trüge sein kristallner Kiel als Fracht
viel goldne Sternlein. Horch, ein lieblich Klingen
wie seidenzartes fernes Elfensingen!
Ist es des Silberschiffleins Strahlenfeuer,
und sitzen Englein singend dort am Steuer?
Klingt jauchzend nun ein Hallelujah drein?
Ein zart Ave Maria süß und fein?
Vorüber zieht auf leis bewegter Bahn
das fremde Schifflein. Legte es doch an!
Doch blasser wird und ferner klingt das Wunder
und gleitet still am Horizont hinunter.
Auffahrend aus den Kissen sitz ich lauschend…
Da bringt der laue Nachtwind, leise rauschend,
ein paar verwehte Klänge mir zurück,
von einem Saitenspiel ein abgerissen Stück.
Da weiß ich, was in lenzgeschwellter Nacht
in meinen Schlaf den holden Traum gebracht:
Ein Geigenspiel war durch des Dörfleins Mitten,
war unter meinen Fenstern weggeschritten.
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Lorelei
Warst du es, die ich jüngst belauscht
im Licht des Mondes und der Sterne,
als leise mir der Rhein gerauscht?
Du kämmtest dir das Wellenhaar,
das wie von Gold und Seide war,
und sahst mich nicht und warst so fremd und ferne!
Hat dich der Lenzwind hergebracht
im Traumbild einer Göttersage?
Im Raunen einer Frühlingsnacht?
Gehörst zum Wasser du, zum Wald?
Bist warmen Blutes oder kalt,
und singst am Strom die ewig süße Klage?
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Märchen im Maien
Ich saß in Decken und blickte
matt in den blühenden Schein.
Da sprang durchs geöffnete Fenster
ein veilchenbekränzter Jüngling herein.
Dem waren am grünen Wamse
Maßliebchen und Hasel gestickt.
so lichthell sahen die Augen,
da freundlich er mir zum Gruße genickt.
Buschröschen bot er und Primel,
bot Veilchen und Krokus mir dar.
Und feine klingende Düfte
verstreute lieblich sein wehendes Haar.
Er spielte Schalmeien und Flöte.
Es war wie ein Hohe - Lied
auf Minne und bräutliche Erde
und Güte, die selig das All durchzieht.
Ich fragte, wer bist du, o Knabe
im seidig grünen Gewand?
Kommst wohl aus Märchengefilden?
Aus unbekanntem göttlichen Land?
Ich bin der Frühling, so sprach er,
komm mit mir, laß Stube und Tor!
Komm mit in die blühende Weite,
und lausche der Vögel jubelndem Chor!
Die Falter fliegen! In Blüten
steht weiß die Schlehe am Hang!
Sollst lauschen dem Specht im Walde,
der Quellen plauderseligem Gang.
So lockte der Frühling. Ich fasste
die dargebotene Hand
und ließ mich führen und schaute
beglückt ins wonnige blühende Land.
Und siehe, da war ich genesen!
Ich atmete froh und tief
und wanderte mit dem Frühling - -
Ach - träumte mir alles, dieweilen ich schlief?
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Mein ungetreuer Traum
( Ernsthaftes Scherzo)
Auf dem Schlafband gaukelte ein Ding
wie ein nebelgrauer Schmetterling,
sah zuweilen flüchtig nach mir her.
Und nun finde ich das Ding nicht mehr!
bläulich wars und zart,
von so eigner Art,
und sein Gaukelspiel gefiel mir sehr.
Tastend such ich auf dem Dämmerband.
Sieh, ein Fünkchen halt ich in der Hand!
Leise glimmt es auf in mattem Schein,
wächst und wird ein gläsern Flügelein!
Wie es bebt und flimmert! Ei der Daus,
Traumding, riß ich dir ein Flüglein aus?
Komm doch nur zurück,
das verlorne Stück
paß ich dir behutsam wieder ein!
Aber höhnisch hebt es Bein um Bein,
krebselt rückwärts, nebelt gar sich ein!
Wie mein Denken auch sich müht und schweift
und dem Traumwisch nach ins Leere greift -
als ein Räuchlein schwand das flirre Ding
in der Dämmerwand, eh ich es fing!
War so flüchtig wie ein Fläumchen weht
und ein Kanker über Marmor geht.
Auch das azurblaue Flügelein
wird nun blaß in meiner Hand und klein,
rundet sich und schwebt mit feinem Ton
als ein Seifenbläschen mir davon.
Eine ungehörte Melodie
segelt fröhlich durch den Sphärenraum:
Mein ungetreuer Traum.
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Mütterliche Nacht
Still im blauen Traumgewande
kommt die Nacht gegangen;
schließt dem Tag die müden Augen,
kühlt ihm Stirn und Wangen.
Heimlich nun raunt sie ihm Sagen und Weisen,
drin es erzittert von Lust und von Leid;
malt ihm die Bilder, die flüchtigen leisen
Schattenspiele der fliehenden Zeit.
Ahnen um Dinge aus Urwelttiefen
haucht sie dem schlafenden Sohne ins Ohr:
Hörst du die leisen Stimme? Sie schliefen
im Lichte, mein Mantel weht sie empor.
Aber - sie weiß es - wie fernen Glocken
lauscht er den Stimmen des Lichtes nach.
Bald wird die strahlende Eos ihn locken:
Komm, Liebster, wir gehn über Heide und Hag!
Aufseufzt die Nacht; aus dunklem Auge
fallen ihr heimliche Tropfen. Dem Sohn
küßt sie mit letztem kühlendem Hauche
zärtlich die Stirne und schreitet davon.
Und der Tag erwachend blinzelt
blaß ins Frührot. Seinem Traume
sinnt er flüchtig nach und schüttelt
eilig sich den Tau vom Saume.
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Neblung
Neblung hob auf seinem Wege
über Wälder, Tal und Stege
seine graue Geisterhand.
Sieh, da fielen ab zur Stunde
alle Blätter in der Runde,
alle Blätter weit im Land.
Laub, das gestern noch gelodert,
feuerrot und gelb, es modert
morgen schon im kühlen Grund.
"Meinen Weihrauch will ich geben
allem eingesargten Leben",
flüstert Neblungs bleicher Mund.
Aus geheimer Waldesquelle
schöpft er eine Murmelwelle,
tröpfelt Mohnsaft noch hinzu.
Und den Nebelkessel schwingend,
leise Schlummerlieder singend,
bringt er Feld und Wald zur Ruh.
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Pan im Walde
Flimmernd liegt die Mittagsstunde
über Wald und Quell im Grunde.
In der heißen Stille zittert
kaum ein Blatt, und Schatten gittert
auf dem Boden. Pan, der alte
räkelt sich und gähnt. Im Walde
schlafen Eichhorn, Fink und Taube,
traumhaft wispert es im Laube.
Pan im Grase nimmt die Flöte,
blasen? - Nein. Er blinzelt blöde
nach den weißen Wolkenschäfchen:
Träges Volk! Hält Mittagsschläfchen!
Horch, da lacht es zart wie Seide!
Fein wie Klirren von Geschmeide
ruft herab die Heckenrose:
Selber träge, Pan im Moose!
Ha, wer lacht? Wart, Rosenfähnchen,
Seidenschätzchen, Dornenschwänchen!
Näher rückt der Flötenbläser,
rupft sich eins der langen Gräser
und macht neckisch kille kille.
Schätzchen, ei warum so stille?
Lache doch! Das Rosenschönchen
aber tut, als trügs ein Krönchen.
Blickt in vornehm kühlem Schweigen
nach der Falter Gaukelreigen
auf der Lichtung. Donnerglöckchen,
murmelt Pan, das Seidenröckchen
hat auch Launen! In die Runde
schielt er jetzto, fängt sich bunte
Käfer ein und setzt in Ruhe
sie dem Ginster in die Schuhe:
Ginster, da, du eitler Bolde
zu den Schuh`n aus purem Golde
schenk ich dir smaragdne Schnallen.
Wie, du willst nicht? Läßt sie fallen?
Pan, wie schmollend wälzt sich weiter:
Schlafen wir. --- Pfui Höll und Reiter,
Heupferd, das war meine Nase!
Heupferd hüpft schon weit im Grase.
Pan muß niesen. So ein Bazi!
Stört den Schlaf mir! Grillchen - hazi!
Grillchen, komm mal her, mein Kleines!
Mit dem Bogen deines Beines
streichst du jetzto mir die Fiedel,
spielst dein schönstes Schlummerliedel.
Und ihr, Mücke, Bien und Hummel
auf vernaschtem Blumenbummel,
ihr singt mit! Pan in Behagen
reckt sich aus, und mählich tragen
ihn die feingestimmten hellen
duftig - warmen Mittagswellen
tief ins Traumland. - - - - - -
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Pans Traum
- - - - - - - - - - - Pst, ihr Grillen,
schweigt einmal! Die heimlich - stillen
Nixen dort will ich belauschen!
Hört ihr kichern, plätschern, rauschen?
Pan will sachte näher kriechen.
Ho, wie festgewachsen liegen
ihm die Glieder an der Erde!
Und dort - hundert grüne Pferde
auf der Lichtung! Ihre Eisen
sieht er in der Sonne gleißen
(Pan birgt eilig seine Nase.)
Klappernd nahts im dürren Grase:
Pan, wir kommen, uns zu rächen!
Mordversuch heißt dein Verbrechen!
Mordversuch an unserm König!
Mühsam hebt sich Pan ein wenig.
Höll und Reiter, ja, sie kommen.
Haben schon den Hang genommen!
Bergwärts gehen ihm die Haare,
könnt er auf, daß er sich wahre,
vor der üblen Springflut rette,
statt zu haften, eine Klette!
Und die Angst aus allen Poren
flüstert: Pan, du bist verloren!
Nahe schon dem Nixenbade
sprengt die grüne Kavalkade.
Wie die Hufe Blitze sprühen!
Wie die Kulleraugen glühen!
Wie die Spinnenbeine hüpfen!
Ist kein Mausloch, einzuschlüpfen?
Ach am Boden muß er kleben,
und es geht um Leib und Leben!
Näher trabts mit bösem Schnauben,
Pan will es den Atem rauben.
Da - Verwirrung in den Reihen!
Silberkugeln sprühn und speien
in die grünen Springerscharen,
die entsetzt von hinnen fahren.
Hei, die Nixen bei den Erlen
werfen plantschend Wasserperlen.
Brav, ihr Goldchen! Wie sie lachen!
horch, sie rufen: Pan, wir wachen,
schlaf nur, alter Hirtenknabe
ruh dich aus beim Flötenstabe!
Ei der Daus, die kecken Dinger!
Drohend winkt er mit dem Finger:
Nixenzeug, wer schläft! Der Alte
lauscht vergnügt. Schon weit im Walde
klappern flücht`ge Heupferdhufe.
doch was sind nun das für Rufe - ?
Peter, komm ans Badeplätzchen!
Gleich ihr lieben Wasserschätzchen!
Aber Peter - heiß ich Peter?
Grillchen, zwick mir mal ins Leder,
ob ich doch vielleicht nur träume.
Paul, wir klettern auf die Bäume,
fährt es da in sein Besinnen,
Rabennester stehn hier drinnen
und ein Bau mit jungen Füchsen.
Donner, das sind keine Nixen!
Pan fährt auf, reibt sich die Augen,
kann die Glieder wieder brauchen.
Hat das Zeug doch recht gesehen,
hab geschlafen! Spähend gehen,
seine Augen in die Hecken.
Ach, das sind die beiden kecken
Geißenbuben von der Halde!
Knurrend schwindet Pan im Walde.
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Versunkene Inseln
(Im Gedenken an Winterabende im Elternhaus)
Wie waren sie doch schön, die Abende,
wo bei der Lampe rötlich mildem Schein
sich die Familie warm und traut gesammelt!
Sowie Natur, die mütterliche ihre Reime
zurück ans Herz genommen vor dem Nord,
so zog das Haus in seine wärmsten Kammern
das Leben ein, das arbeitsam ins Weite
der Sommer streute mit geschäftger Hand.
Wenn sich die Winde jagten um die Ecken,
von Regen sangen und von blankem Schnee,
dann kauerte am Ofen Behangen
und lauschte wohl verträumt dem Flammenlied
und dem Geplauder warm geborgner Menschen.
Ein Märchen lugte still durch einen Spalt,
wie liebt es Lampenlicht und warmen Ofen!
Was pocht am Laden? Will Knecht Rupprecht schon
nach frommen und nach bösen Kindern sehn?
Sie folgen, Nikolaus! Der Kleine dort,
wie brav er sitzt und sich beim Rechnen müht!
Stricknadeln gehn mit feinem Silberklange,
indes aus langer Pfeife auf zur Decke
ein blauer Rauch den Ringelreigen zieht.
Und trägt der Vater dann herbei das Buch,
darin zu lesen steht von Sternenräumen
und von der Erde fremden schönen Wundern,
dann lauscht beglückt im still gewordnen Kreise
ein Jeglicher der lieben warmen Stimme.
Ihr langen Winterabende, ihr trauten,
wie wart ihr schön, ein rechter Friedenshort.
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Vetter Wilm erzählt seinen Enkelbuben
Lange ist es her. Ich war auf Wanderschaft,
und die Bäume standen jung im Saft.
einmal ruht`ich aus am Waldesrand,
wo ich eben ein Alräunchen fand.
Wie ichs noch beseh, das Narrending
und die Sonne mählich niederging,
spür ich Hunger, und ich eß das Brot,
das die Pfarrfrau mir am Mittag bot.
Müßte weitergehen, denk ich mir.
Ach, ein Stündlein noch! Ist schön allhier!
In den Teppich rolle ich mich ein,
hör den Kuckuck zu, den Vöglein fein - - -.
Da - ich höre, wie es heimlich lacht
und die Stille um mich erwacht!
Was geht vor im nahen Waldgebiet - ?
Eichhorn gurrt und ruckt ein Minnelied,
und die Taube turnt und flitzt im Baum!
Feste kneif ich mich: Ein Fiebertraum?
Hasen plätschern laut im kleinen Teich,
und die Fröschlein sitzen im Gezweig,
ziehen die Hälse lang am Erlenstrauch.
Eines hält vor lachen sich den Bauch!
Wie die Spatzen purren sie davon,
und das Eulchen lacht mit hellem Ton.
Harmlos trabend kommt ein Fuchs hinzu,
stutzt und wendet, jagt zurück im Nu,
alle Hasen bellend hinterdrein!
Wieder kneif ich mich: Wie kann das sein?
Wars ein Albtraum, der mir hier geschah?
Ein verworren Trugbild, was ich sah?
Auf die Lichtung vor mir aus dem Wald
kommt ein Hund. Ein Jäger folgt ihm bald:
"Hektor, hier! Zurück!" Der Hund jedoch
steht und windet nach dem Wasserloch
bei den Erlen. Zu dem Jägersmann
wendet sich der Hund:" Komm schnell heran!
Such schön, Herrle! such doch! Such geschwind!
Merkst du nicht, nach Häschen riechts im Wind!"
Und der Jäger läuft und bellt und sucht.
(Scheint mir aber, daß er heimlich flucht.)
Hund und Jäger schwinden nun im Wald.
Mir im Wanderteppich ward es kalt.
War doch sonnig, und der Kuckuck rief?
Machte das Alräunchen, daß ich schlief?
War es mit dem Spuke hier im Bund?
Find es nimmer, scheint verschluckt vom Grund.
Aus der Turmruine dort im Dorn
fliegt im Zickzack über Busch und Born
eine Fledermaus ins Weite fort.
Wars die Hexe an verhextem Ort - ?
Eilend nehm ich meine Sachen auf
und entrinne diesem Spuk im Lauf,
bis ich mich auf einer Straße fand.
Wie der Morgen grau am Himmel stand
und der Hahn im Bauernhofe kräht `
faltet `ich die Hände zum Gebet.
Weiß noch heute nicht, was mir geschah,
was ich dort im Hexenwalde sah.
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Waldgeflüster
Links das Bächlein, rechts die Föhren,
ich so mitten drin.
Konnte alles deutlich hören,
was das Bächlein und die Föhren
raunten her und hin.
Von den Menschen, die sich quälen
all um eiteln Tand,
selber sich die Sonne stehlen!
Bächlein konnte viel erzählen,
kannte Leut und Land.
Und die Föhren wispern leise
von dem dicken Herrn,
der im wanderfrohen Kreise
schalt die Not der Lebensreise.
Föhren wispern gern.
Plauderfroh das Bächlein wieder:
Ja, der arme Tor!
Grad als seine schönsten Lieder
eingeübt waldauf und nieder
unser Sängerchor!
Durch die blättergrünen Räume
leise schlich der Wind.
Horch, da ranns in meine Träume:
Dank dir, Schöpfer, dass wir Bäume
und nicht kluge Menschen sind!
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Was der alte Wilm erzählt
Lange ist es her. Ich war noch jung,
fing das goldne Leben mir im Schwung.
Vom Soldatenspiele kaum zurück
nahm ich Hut und Stock und sucht mein Glück
in der Fremde. Wandert kreuz und quer.
War mir auch der Abschied manchmal schwer,
wenn der Meister von gerechter Art
und die Frau der Knödel nicht gespart.
Wandern mußt ich, lag mir so im Blut
von den Ahnen.Pfiff auf Geld und Gut.
Meine Habe trug im Ränzel ich
neben Brot und Speck und labte mich
an der Quelle, so ich eine fand.
Oder auch an eines Brunnens Rand,
wenn im Dorf ich nach der Herberg frug
und gar leicht an Silbergroschen trug.
Einmal schlief im Maienwald ich ein,
wurde wach und lag im Modenschein.
Zog die Uhr, es war die zwölfte Stund,
und ich fror im Teppich wie ein Hund.
Brummend nahm ich meine Sachen auf,
und zum runden Mondgesicht hinauf
sah ich, das sich spiegelte im Born.
Blies der Mondmann in sein gelbes Horn - ?
Ein geheimes Echo rundum rief
allem, was da wachte oder schlief.
Staunend in dem blassen Geisterschein
merk ich, wie sich’s regt an Weg und Rain
und ein fremdes Treiben rings erwacht.
(Hab mich hinterm Fels in Deckung bracht.)
Und ein Glöcklein hört ich wimmernd gehen.
Einen Zug von Frauen konnt ich sehen;
schritten schwarzgewandet, Paar um Paar,
trugen weiße Hauben überm Haar.
Sie verschwanden hinter rost`gem Tor.
Leiser Orgelton klang draus hervor,
und ein Priester las die Lithurgie.
Wie im Zwange beugte ich das Knie.
Gott im Himmel, ging mir durch den Sinn,
hilf mir doch, weiß nimmer, wo ich bin!
Stille wieder wars im grünen Raum,
nur ein Käuzchen schrie verstört im Baum.
dort am Erlenbusch bei der Quelle stand
nun ein Weib im grauen Bußgewand!
Schlug das Kreuz und sah mich traurig an,
machte zögernd einen Schritt heran.
Wars ein Spuk, das graue Wesen dort?
Bleib, rief ich entsetzt ihm zu, bleib fort!
All sogleich verhielt es stumm den Fuß,
hob die Hand - wars Warnung oder Gruß?
Und ich frug: bist du von Fleisch und Blut?
Bist du Schatten? Böse oder gut?
Bist du eine von den Frauen dort
hinterm Gitter - Mir erstarb das Wort:
Ich vernehme Jagd - und Hussa-Ruf
und dazwischen flinker Rosse Huf!
Hunde hör ich an der Leine zerr`n,
jaulend bei dem Fußtritt ihres Herrn.
Lauter wird und näher kommt es nun.
Wird der Hauf mich finden, mir was tun?
Einen guten Steinwurf oder zwei
jagt es drüben hinterm Wall vorbei
und verschwindet in die weiße Nacht.
Fort ist auch der Spuk in grauer Tracht.
Nur ein Schleier liegt im Erlenbusch,
hat verloren wohl das Weib im Husch.
Feucht geworden sind mir Stirn und Haar,
weiß doch nur der Teufel, was es war!
Trat ich hier in einen Hexenring,
drin ich armer Wanderbursch mich fing?
Da - ich halte jäh den Odem an -
hat schon wieder sich ein Graus getan!
Auf dem breitem Baumstumpf im Gefäll
aufrecht steht ein Mäuschen, bräunlich hell.
Und das haselbraune Mäuschen singt,
fein und traurig wie ein Weinen klingt.
Näher schleiche ich und seh mirs an,
frage, was man ihm zuleid getan?
Ob es sich verirrt im Hexenwald
und gebannt nun ist in Tiergestalt?
Und es nickt und schaut verhehlt umher!
Denken muß ich einer Kindermär
von Mausprinzeß im Silberfell,
die sich fangen will der Mühlgesell.
Mäuschen, sag ich, bist ein feines Ding,
wäre schade, wenn der Kauz dich fing!
Und das Mäuschen, wie in Glück und Dank,
wiegt sich in den Hüfen, zart und schlank.
Und es dehnt sich, wächst, kriegt langes Haar,
wird ein Mädchen, was doch Mäuschen war!
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Staunend seh ich, wie`s im Mondenlicht
sich die haselbraunen Haare flicht
und aufs Köpfchen wie ein Krönlein steckt.
Wie`s die zarten schlanken Arme reckt!
Hat ein Angesicht, so hold und schön,
wie ich meiner Lebtag nicht gesehn!
Könnt euch denken, Kinder, wie mir war!
Kalt ward mir und warm bis unters Haar.
Huhu, rief das Käuzchen, weich zurück!
Ist der Hexen bestes Meisterstück!
Schweige, Kauz, du böser Spuk der Nacht!
Hüte deinen jungen Flaum bedacht!
Näher kommt das Mädchen Wunderhold,
und das Krönlein scheint mir nun von Gold!
Wie ich zögre - soll ich bleiben, fliehn -
werden schwer die Füße mir und ziehn
mich zu Boden. Heimlich lacht es Hohn
in den Hecken - - Da, ein jäher Ton,
Erz auf Erz! War es ein Glockenschlag
vom Kapellchen, das schon lang zerbrach - ?
Durch das Grün der Bäume seh ich grau
seiner Mauerreste im Verhau
von Gebüsche und verwachsenem Dorn.
Stille rings. An steingefaßtem Born
trink ich fiebernd aus der hohlen Hand,
nehme Stock und Ränzel auf im Sand
und bekreuze mich; Gott helfe mir!
Gütiger, was hört`und sah ich hier?
Wars ein Geisterspuk? Ein irrer Traum?
Einsam in den mondbeglänzten Raum
schritt ich fort und kam ins Morgenrot.
Fand ein Kirchlein, kniete hin und bot
meinem Schöpfer Lob und Dank! Ich schlief
im Gestühle bis die Glocke rief
und der Küster mich verwundert fand.
Draußen schien die Sonne hell ins Land.
In der Schenke sprach der Wirt bedacht:
Glück jehabt, war ja die Hexennacht!
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