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Weihnachtsgedichte



Knecht Ruprecht
Weihnachten
Die Mutter am Christabend
Weihnachten

 

Knecht Ruprecht

Von drauß‘ vom walte komm ich her;
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Allüberall auf den Tannenspitzen
Sah ich goldene Lichtlein sitzen;
Und droben aus dem Himmelstor
Sah mit großen Augen das Christkind hervor,
Und wie ich so strolch durch den finsteren Tann,
Da rief’s mich mit heller Stimme an.
»Knecht Ruprecht«, rief es, »alter Gesell,
Hebe die Beine und spute dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
Das Himmelstor ist aufgetan,
Alt‘ und Junge sollen nun
Von der Jagd des Lebens einmal ruhn;
Und morgen flieg ich hinab zur Erden,
Denn es soll wieder Weihnachten werden!«
Ich sprach: »O lieber Herre Christ,
Meine Reise fast zu Ende ist;
Ich soll nur noch in diese Stadt,
Wo’s eitel gute Kinder hat.«
- »Hast denn das Säcklein auch bei dir?«
Ich sprach: »Das Säcklein, das ist hier;
Denn Äpfel, Nuss und Mandelkern
Fressen fromme Kinder gern.«
- »Hast denn die Rute auch bei dir?«
Ich sprach: »Die Rute, die ist hier;
Doch für die Kinder nur, die schlechten,
Die trifft sie auf den Teil, den rechten.«
Christkindlein sprach: »So ist es recht;
So geh mit Gott, mein treuer Knecht!«
Von drauß‘ vom Walde komm ich her;
Ich muss euch sagen es weihnachtet sehr!
Nun sprecht, wie ich’s hierinnen find!
Sind’s gute Kind, sind’s böse Kind?
   [Theodor Storm, 1817-1888]





Weihnachten

Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil’ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt’s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit!
   [Joseph Freiherr von Eichendorff, 1788-1857]





Die Mutter am Christabend

Er schläft, er schläft! Das ist einmal ein Schlaf!
So recht, du lieber Engel du!
Tu mir die Lieb‘ und lieg‘ in Ruh.
Gott gönnt es meinem Kind im Schlaf!

Erwach‘ mir nicht, ich bitt‘, ich bitt‘!
Die Mutter geht mit stillem Tritt,
sie geht mit zartem Muttersinn,
und holt den Baum zur Kammer hin.

Was häng‘ ich dir denn an?
‘nen Pfefferkuchenmann,
ein Kaetzelchen, ein Spaetzelchen,
und Blumen bunt und süß und weich,
und alles ist von Zuckerteig.

Genug, du Mutterherz!
Viel Süßigkeit bringt Schmerz.
Gib sparsam wie der liebe Gott.
Tattaeglich nuetzt kein Zuckerbrot.

Jetzt rote Aepfel her,
die schoensten, die ich habne kann!
Es ist auch nicht ein Fleckchen dran,
wer hat sie schoener, wer?
‘s ist wahr, es ist ‘ne Pracht,
was so ein Apfel lacht.

Jetzt – Gott behuete dich,
an ander Mal denn mehr!
Heut‘ war es, wo der heil’ge Christ
ein Kind wie du geworden ist.
Werd‘ auch so brav wie er!
   [Johann Peter Hebel, 1760-1826]





Weihnachten

Bäume leuchtend, Bäume blendend,
Überall das Süße spendend,
In dem Glänze sich bewegend,
Alt und junges Herz erregend –
Solch ein Fest ist uns bescheret,
Mancher Gaben Schmuck verehrt;
Staunend schaun wir auf und nieder,
Hin und her und immer wieder.

Aber, Fuerst, wenn dir’s begegnet
Und ein Abend so dich segnet,
Dass als Lichter, dass als Flammen
Von dir glänzten allzusammen
Alles, was du ausgerichtet,
Alle, die sich dir verpflichtet:
Mit erhöhten Geistesblicken
Fühltest herrliches Entzücken.
   [Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832]