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Klingend Menschenwort Seite 1

Ach wüßt ich den Schlüssel zu finden-!

Mir ist, als hätt ich mein Leben,
das blühende, reiche versäumt.
Als hätt ich’s vertrendelt, verträumt
in wichtig-wertlosem Streben.

Als hätt ich ein Ziel verloren
in Sonne, Regen und Wind,
wie den Ball ein spielendes Kind
vor zugefallenen Toren.

Und wäre der Schlüssel zu finden,
der Schlüssel vom Tore der Zeit,
ich wollte gehen so weit
und suchen in allen Winden.
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Am Quellchen bei der alten Mühle

Aus der dämmergrünen Wälderstufe,
wo das Wisperquellchen früh und spät
seine Perlen in die Gräser sät,
schickt der scheue Kuckuck seine Rufe.

Und wie seidne Doppelbällchen fallen
sie herab ins weite Wiesental,
in den blumenfrohen grünen Saal,
wo sie wie ein zartes Echo hallen.

Doch das Quellchen mit den Silberschuhen
darf nicht weilen wo es ihm gefällt!
Wandern muß es in die weite Welt,
kann nicht rasten, wo es möchte ruhen!

Quellchen, ach, wir alle treiben
einem unbekannten Ziele zu,
ich, mein liebes Quellchen, so wie du!
All, was wandern kann, darf nirgend bleiben!
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Am Weiherlein beim Garten

(ein kleiner Gedenkstein für unsern Pluto)

Hinterm Garten bei dem Stützgemäuer,
wo der Wiesenbach den Bogen schlägt,
war der schönste aller Badeweiher,
den ein Kinderland im Grünen trägt!
Aus den Wäldern hundert Vogelstimmen
jubelten ins Wiesental herab.
Tausendfältig summten Vaters Immen.
Ein Kaleschlein fuhr daher im Trab.

Schweige, Pluto, gelbes Ungeheuer!
Wir ertrinken nicht, wir schlagen Schaum!
Du bist unerwünscht im engen Weiher!
Lauf, die grünen Wiesen haben Raum!
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An eine andersgläubige Freundin

Sieh, wir gehen auf getrennten Wegen
doch wir gehen dem gleichen Ziele zu:
Einer fremden Ewigkeit entgegen
trägt uns der bestaubte Wanderschuh.

Sonne schien und Vögel sangen Lieder,
Rosen blühten uns am Wege dicht.
Stürme bliesen, Nebel sank hernieder,
Regen lief uns übers Angesicht.

Aber unbeirrt auf graden Wegen
gingen wir, uns selbst und Gott getreu.
Und dem Ew`gen, Wissenden entgegen
tragen wir die Seele ohne Scheu.
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An meine Schwester Karoline

„Wie wenn Millimeter und Sekunde
streiten über Raum und Ewigkeit“,
sprachst du sinnend. Oft in stiller Stunde
denk ich dran, im Glücke und im Leid.

Gerne mag im Glück ich es vergessen,
dass ich Millimeter bin im Raum.
Ach, ein kleiner Punkt, ein wahnvermessen
Stäblein nur am grünen Erdensaum!

Gräm ich leidvoll mich um Nichtigkeiten,
kommt es mir, daß ich Sekunde bin!
Kurzer Pendelschlag im Gang der Zeiten.
Sieh, so blüht dein Wort mir nun im Sinn.
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An meine Vierzehnjährige

(Zur Konfirmation.) Sei klar und wahr!
Wie über Kieselsteine klar und hell
in deiner Heimat Bergen fließt der Quell,
so sei auch du in deinem tiefsten Wesen.
Daß wir durch deine Augen, quellenrein,
dir auf der Seele klarem Grunde lesen.
Verachte die Verstellungskunst der Welt,
und meide stolz, mit leerem Phrasengeld
zu zahlen, wenn du bess`re Münze hast.
Und im gesell`gen Treiben, wie in stiller Rast,
sei schlicht und echt!
Dem Bilde gleiche, das gemalt von Meisterhand
in einfach schlichtem Rahmen schmückt die Wand.
Doch dem Gemälde nicht, das hinter goldner Leisten
prunkvollem Glanz den eig`nen Unwert birgt.
Der Menge zwar ins Auge fällt am meisten
was glänzt, doch suche ihren Beifall nicht.
Dein heimlich Losungswort sei: Wahr und schlicht!
Das möge nie und nirgends dir entfallen,
so wirst du glücklich, und – gefällst du Allen.
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An meinen Schöpfer

Gott, ich danke dir für diese Gabe:
Daß ich all was Böses mir geschah,
ohne Bitterkeit vergessen habe
und das Gute mir nur blieben da.

Hätte es ja mit mir schleppen müssen,
wo die Blumen doch am Wege stehn.
Dank dir, der mich hob aus Finsternissen
und mich lehrte, all das Schöne sehn!
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Aus reifer Schau

Schön ists, im Frühlingstal des Lebens gehen,
bei Quell und Kuckucksruf und Falterspiel!
Doch steiler wird der Weg, und Dornen stehen,
und kühler wird’s und einsam auf den Höhen.
Verloren ging am Wege, ach so viel!

Nun, später Wandrer, magst du dich bewähren!
Verklungen ist der Jugend frohes Spiel.
Dir wird aus reifer Schau sich vieles klären.
Und stand dein Ackerfeld in guten Ähren,
dann gehst du still – gelassen an dein Ziel.
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Aus weiter Schau

Schön ist`s, im Frühlingsspiel des Lebens gehen,
bei Quell und Kuckucksruf und Falterspiel!
Doch steiler wird der Weg, und Dornen stehen,
und kühler wird`s und einsam auf den Höhen.
Verloren ging am Wege, ach so viel!

Nun, später Wandrer, magst du dich bewähren!
Aus reifer Schau wird vieles dir sich klären,
und still - gelassen gehst du an dein Ziel

Lotte Mühlborn
(* 10. Juli 1877)
Zum 85. Geburtstag beglückwünschen wir unsere
langjährige,wohl auch älteste Mitarbeiterin
aufs herzlichste.
( Ihr letztes Gedicht, verstorben im August 1965)
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Beim leisen Lied der Mitternacht

Wenn mein Ohr ins Dunkel nächtens lauscht,
hör ich, wie das Zeitenrädlein spinnt
und die Norne mit den Schwestern Grüße tauscht.
Wie die Stille singt und fern der Urstrom rauscht,
der ins ewig Uferlose rinnt.

Dumpf ein Pochen - tropft es in den Sand?
Ist der Bohrwurm im Gebälk erwacht-?
Halb erschrocken hab ich es erkannt:
Wie der Taktstock in des Meisters Hand
Pocht mein Herzschlag in den Sphärensang der Nacht!
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Berufswahl

Holzschnitzer, das ist ein schöner Beruf,
sagt Vater, und Bübchen sagt freudig ja.
Ich seh, was den Messergriffen geschah
und was Bübchen da an den Tischkanten schuf!

Mein Sohn, ach such dir was anderes aus!
Schnitzmesser sind meist gefährlich und schlimm!
Dann werde ich Glöckner und läute bim bim?
Mir recht, aber fall nicht zum Schalloch heraus!

Ach, lieber doch lerne ich Besen binden.
Die fahr ich im Karren dann weit in die Welt!
Wohl gar bis Dreibach und Märzenfeld!
Mein Gott, und wirst du den Weg wieder finden?

Ich - werde doch besser ein Musikant
und blas in den Gassen bei unserem Haus.
Du stehst am Fenster und guckst heraus
und freust dich und wirfst mir Geld in die Hand.

Was machst du alsdann mit dem vielen Geld?
Ich kauf dir`n schönen Federhut
mit Bändern! Sieh an, der stünde mir gut!
Ich küsse ein Kind, und wir freun uns der Welt.
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Das Hoffnungswölkchen

Sinnend seh ich und gedankenschwer
in des grauen Himmels Wolkenmeer.
Sieh, da steht wie ein verheißend Omen,
wie das Glückskind unter grauen Gnomen
goldgesäumt und licht ein Wölkchen da!

Sonne, ja du lebst noch, bist uns nah!
Zogst dir nur den Tränenschleier leise
einmal vor die Welt und ihre Weise.
Lachend wieder aus dem Wolkentor
wirst du treten, gütig wie zuvor.

Denke dran, mein Herz, wenn grau und zag
Wolken ziehen über deinen Tag.
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Das Krankenhaus- Kocherl

Ja, das Kocherl in der Küche
sorgt für unser aller Wohl.
Schon die lieblichen Gerüche,
so von Klops und Blumenkohl

schickt es vor durch Gang und Türen.
Kalbfleisch brät es, Fisch und Ei,
Majonäsen tut es rühren,
seltener Kartoffelbrei.(!)

Kreme, Pudding und so Sachen,
Grießbrei auch und Krautsalat
kann das fleiß`ge Mädchen machen;
Weinschaum schlägts im Wasserbad.

Wichtiger als Arzt und Schwestern
ist das Kocherl, glaubet mir!
Kochte es nicht heut wie gesternglatt
verhungern müßten wir!

Mache drum so weiter, Mädchen.
Gingst du fort, wär alles aus,
wär's vorbei mit Brei und Brätchen
mit dem ganzen Krankenhaus!

Eine Patientin.
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Das rasche Wort

Verzeihe mir, wenn ich dir weh getan!
Mir fiel, ich weiß, die Seele aus der Hand,
und achtlos trat ich von der guten Bahn
herunter in das Dorngestrüpp am Rand.
Da zuckte mir der Fuß, und aus dem Munde
sprang jählings mir ein unbedachtes Wort.
Das flog davon und schlug am Ziel die Wunde
und liegt im Sinn mir doch und geht nicht fort.

So gib mir denn das Wort zurück in Güte.
Ich will es werfen rücklings übers Dach,
ein Unglücksei*, und sagen: Gott behüte
vor raschem Wort und seinem Ungemach!

*alter Aberglaube im Volk
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Das traurige Lied

„Als ich aus meinem Vaterhause ging,
ließ ich darin die Jugendzeit zurück-„.
So steht in einem alten Lied geschrieben,
und ist wie Trauer um versäumtes Lieben
und klingt wie Scherben von zerschelltem Glück!

Ist Wissen um die Wirrnis fremder Straßen,
ist Einsamgehn auf nebel-enger Flur.
Im Hall vergangner Schritte hör ich klingen:
So wie ins Dunkel unsre Füße gingen,
so geht ins wesenlose jede Spur!
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Der Gute und der Böse

Der Gute sieht beglückt aus seiner Schau
das Gute noch in Wind und Wolkengrau.
Der Böse aber schreit empört zu Gott,
ihn zwicke noch der Krebs im Siedepott!

Wie tut mir doch der arme Böse leid!
Scheint mir, er grollt sogar wenn’s Blüten schneit!
Ist wohl Erinn`rung an den Winterschnee,
und gleich tun ihm die kalten Füße weh.

Der Andre aber sieht im Blütenzelt
ein Wunder dessen, der die Uhr gestellt,
der seine Sonne dreht von Ost nach West
und über Gut` und Böse regnen lässt.
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Der Reuetraum

Zu einem Lager herrlich roter Äpfel
entführte mich ein Fiebertraum im Fluge.
So greife zu, rief eine Stimme, wähle!
Ich wählte und verwarf und wählte weiter,
ein Fleckchen hier ein Pünktlein dort gewahrend.
Dem Schönen hier fehlt etwas an der Dicke
Und an der Rundung Glätte jenem andern.
Da schwanden leis vor dem enttäuschten Auge
die Früchte hin, und nur bescheiden kleine
und grüne lagen statt der prächtig roten.
Rasch griff ich zu, um etwas noch zu haschen –
da war die Stätte leer, und leer blieb meine Hand.
Und fröstelnd las ich auf dem leeren Bord: Zu spät!
Warum nur muß ich oft des Traumes denken
der mir die roten Äpfel wollte schenken?
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Der Tramp

Stand in Arbeit oft - und ging - und blieb.
Hatte auch einmal ein Mädchen lieb,
seßhaft sollt ich werden, sagte sie,
aber keiner wußte richtig, wie.

Bin der Erdenwege viele gangen,
gut und böse, konnt mich keiner fangen.
Fand zurück auch immer wie ein Traum,
dacht ich einer Hütte wo im Raum.

Maurermeister ist der Peter worden,
während ich getrampt in Süd und Norden.
Auch die andern Drei haben Brot,
und so leidet Mutter keine Not.

Kommt des Wegs mal einer von der Gilde:
Wer? Wohin? so deut ich ins Gefilde,
häng ins Bächlein stur die Füße ein,
und der andre geht, ich bin allein.

Doch den Winter soll der Teufel holen!
Schlage Holz am Bache, trage Kohlen,
hol der Frau die Windeln her vom Seil,
bin auch Kindsmagd - Blitz und Donnerkeil!

In den Ställen aber ging es recht,
waren derb und gut, so Herr wie Knecht.
Ich konnt Besen binden, Spuren deuten,
Fallen stellen und den Hasen häuten.

Aber roch es dann nach offner Erde,
zog es mich auf meine Sommerfährte.
Und so trampe ich landaus, landein.
Wo einmal geh ich zur Ruhe ein?
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Die verdorrte Ranke

Beim Schränkeräumen fiel mir in die Hände
ein grün Tirolerhütlein, keck besteckt
mit langer Feder. Eine braune Ranke,
dran noch ein Blümlein welk das Köpfchen reckt,
hing los darum, vergessen einst in Eile.
Ein dürres Reis, zwei Blätter oder drei,
und hob doch an zu klingen und zu duften
wie Lerchenschlag im blütenreichen Mai.

Mir vor den Ohren wars wie Vogelsingen,
wie Waldesrauschen und Schalmeinklang,
die Bächlein hört ich von den Bergen springen
und Kuckuckrufen Tal und Wald entlang.

Und warme Sommerwinde fühlt ich kosen
mir ums Gesicht, voll reifer Wiesen Duft
und einem leisen Ruch nach wilden Rosen.
Ein Falter gaukelte in blauer Luft.

Und hinterdrein das grüne Hütlein jagte,
- mit Ackerwinde hatte ich’s geschmückt –
ein keckfrisch Büblein drunter, das mich fragte:
Sag, Mutter, ob der Smetterling wohl swickt?

Ich lege lächelnd in die Truhe wieder
zurück den sommerlich geschmückten Hut,
und meine Lippen summen Frühlingslieder,
indes der Schnee auf allen Dächern ruht.
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Die verlassene Braut

Ein grauer Tag, so recht gemacht zum Scheiden,
so ganz erfüllt von ahnungsbangem Weh.
Ich starre düster in verhängte Weiten.
Wie schwere Tränen tropft es in den Klee.

Fahlnasse Blätter sind's, geweint von Bäumen,
die still und traurig in den Himmel starren.
Das war's, daß ich mein Hoffen und mein Träumen
zu Grab getragen und mein treues Harren.
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Dort, wo die blauen Schwalben noch wohnen,
in der Nesterreihe am tiefen Dachsie
kamen, schien mir, aus Märchenzonendort
wurde ich einstmal ins Leben wach.

Das erste, was ich im Dämmer erkannte,
es mögen die Schwalben gewesen sein,
die fliegenden Pfeile am Himmelsrande,
und Abendwölkchen im Rosenschein.

„Sein erstes Lachen den Schwalben galt“,
-so hatt` meine Mutter es niedergeschrieben-
„ wie sie, beim Wäscheseil festgekrallt,
gewippt und gezwitschert, wohl sechs oder sieben“.

Schwalben, ihr frohen, wie lieb ich euch doch,
Gefährten ihr meiner seligsten Zeit,
wo unterm gleichen Dache wir noch
gewohnt und keines gewusst vom Leid!
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Elternsorgen

Was hat man doch Sorgen!
Am Abend und Morgen,
tagaus und tagein
die Kinderlein schrein.

Kaum, daß man ein Gräupchen,
ein mageres Räupchen,
mal selber kann schlucken.
Das Nestglück hat Mucken!
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Erkenntnis

Gab uns Gott von seinem Hauch,
wie die Menschen eitel künden,
warum schickt er uns die Sünden
und das Leid?- Schon weiß ich auch:
Wie der Flur den Hagelschlag
schickt uns Gott die Schuld zuweilen,
daß sie uns von Hochmut heilen
und die Güte lehren mag.
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Es rinnt der Sand-

O wie eilt im Stundenglas der Sand,
und wie rinnt das Leben flüchtig fort!
Durch die Heimat ging ich, unerkannt
wie ein Fremder geht an fremdem Ort.

Baum und Bächlein, Waldeshang und Wiesen
riefen mich vertraut und grüßend an.
Doch sie Menschen sahen fremd und ließen
fremd mich gehen auf heimatlichem Plan.
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Es träumt ein Tal

Es träumt ein Tal, fernab vom Strom der Welt,
in heimlich stiller waldumhegter Ruhe.
Rings halten Berge es in treuer Hut.
So liegt das Tal, ein Kleinod in der Truhe.

Kein Schlot entweiht den grünen Gottesfrieden,
Maschinen lärmen nicht und Marktgeschrei.
Ein Wagenrollen, eine Peitsche knallt
und singend zieht ein Wanderbursch vorbei.

Ein Bächlein geht vergnügt im hohen Grase
und rieselt klar aus kühler Erlen Haus.
Mein Heimattal, mir ist, als ob du riefest:
Hier wohnt der Friede, komm und ruh dich aus!
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Ewiger Kampf

Kampf begann, als noch die Erde
in den Schöpfungswehen gärte
und die Ordnung sich erzwang.
Kampf ist blieben durch die Zeiten,
wie die Stürme ewig reiten,
wie Geburt und Untergang.
Ewig auf der Menschheitsleiter
steigt und stößt und drängt es weiter,
gleitet ab und kommt zu Fall.
Ewig in gesetzten Schranken
Menschen sich und Völker zanken
mit Geschrei und Widerhall:

Herren wir und ihr die Knechte!
Gute hier und drüben Schlechte!
Aug um Auge, Zahn um Zahn!`
Und in Weltenweite gehen
über allem Kampfgeschehen
Sonnen ihre sichre Bahn.
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Fieberstimmen

Still in verdunkelter Stube
lag ich in fiebernder Qual,
und draußen, da lockten des Lebens
Frohstimmen ins blühende Tal.

Der Lenzwind pfiff mir im Gehen
durchs offene Fenster zu :
Komm mit, wir fliegen ins Grüne,
dort fändest du kühlende Ruh!

Da purzelt - o seliges Wunder -
ein Kinderlachen herein
und baut mir aus Schnüren von Perlen
ein Brücklein, silbern und fein.

Ich kann übers Brücklein nicht gehen,
steht drüben ein schwarzes Schaf !
Mit ihrer silbernen Flöte
singt mich die Amsel in Schlaf.

Sag, Amsel, was bist du nun stille?
Verlorst du die Flöte im Dorn?
Da - siehst du die Elfen tanzen
im weißen Mondlicht am Born?

So wirrten die Bilder und Stimmen
im flackernden glutheißen Spiel,
bis ich dem Schlaf in die Wiege,
die ewig heilende, fiel.
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Flucht

Einsamkeit, in deine Arme,
deine treuen, flücht ich jetzt.
Hab mich an verborgnen Dornen
draußen in der Welt verletzt.

Wo der Menschen viele wohnen
ist versteckt das Leid zuhaus,
birgt sich in dem Kranz der Worte
wie der Rosendorn im Strauß.

In der Stille nur ist Güte,
wo die Schöpfung leise spricht.
Doch die Vielen, Allzuvielen
hören ihre Stimme nicht.

Einsamkeit, so nimm mich wieder
tröstlich auf nach wirrer Fahrt.
Und schon höre ich dich flüstern:
Laß sie, lächle ihrer Art!
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Gang zur Höhe

Ich ging bedrückt. Unguter Worte Echo
ging leise mit, und Nebel stand am Weg.
In graue Enge war mein Aug` verankert,
sah nicht das Blümlein, nicht den Quell am Steg.

Und einsam führte mich mein Pfad zur Höhe.
Da ging die Sonne auf im Strahlenkleid!
Ich sah ins weite Land, und meine Seele
ward hell und groß, und winzig ward mein Leid.

Ein Staubkorn wars im ew´gen Weltengange,
ein Hauch im klingend vollen Lebenschor.
Mein Leben selbst- ein Tröpfchen Tau, gefallen
in Erdenstaub aus fernem Weltentor.

Ach, nicht in Staub! Mein Gott, in deine Wunder
hat ja dein Wille sehend mich gestellt! -
Noch lange dort auf grünbemoostem Steine
saß ich beglückt und sah im goldnen Scheine
die Heimat ruhn, die schöne Erdenwelt.
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